Unsterblichkeit ohne Abwechslung ist unerträglich. Erst durch Getrenntheit entsteht das Individuum, erst durch sie werden Überraschungen, große Gefühle wie Liebe, aber auch spannende Abenteuer möglich. Getrenntheit ist die Zerstreuung des Geistes, die Möglichkeit der Ödnis des Daseins zu entfliehen.
Triebfeder Lust auf Neues?
Im vorangegangenen Blogbeitrag habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, „Wie sehr verantwortet der Geist das Leid?“ und obwohl der Geist zwangsläufig nach dem Guten strebt, hat er sich für Leben und somit auch für Leid, Elend und indirekt auch für das Böse in der Welt entschieden. Dabei habe ich die ketzerische Behauptung aufgestellt, es könnten ihn letztendlich Langeweile und Lust auf Neues dazu getrieben haben, eine belebte Welt zu erschaffen.
Langeweile im Paradies
Warum unternehmen wir in unserer Freizeit etwas, anstatt bequem und sicher daheim zu sitzen und zu warten, dass die Zeit vergeht? Weil diese Alternative furchtbar langweilig ist. Mich hat einmal ein guter Freund gefragt, welcher Ort für mich der paradiesischste auf Erden sein. Ich nannte ihm den Namen eines wunderschönen Parks, den ich an schönen Sonnentagen oft und gerne aufsuche. Dann fragte er mich, ob ich es mir wünschen würde, auf immer und ewig an einem Sommertag an diesem paradiesischen Ort zu verweilen. Ich verneinte das vehement, denn ich war mir bewusst, dass mir selbst in diesem wundervollen Park schon nach wenigen Stunden furchtbar langweilig werden würde. Was treibt den Esel aufs Eis, anstatt seine Zeit am sicheren Ufer zu verbringen? Was veranlasst uns, fremd zu gehen? Was treibt uns in Abenteuer? Letztendlich sind es Langweile, Lust und Neugierde, die uns zu den verrücktesten und unvernünftigsten Dingen anstiften. Doch gilt das wirklich auch für den schöpferischen Geist? Begehen wir da nicht einen unzulässigen Anthropomorphismus, indem wir unser eigenes Verhalten dem allumfassenden Geist unterstellen? Ich behaupte nein. Denn letztendlich ist das Erleben des allumfassenden Geistes von der Summe aller erlebenden Einzelindividuen geprägt. Wie könnte ihm also etwas fremd sein, das die Summe vieler Individuen aus denen er besteht, gleichermaßen umtreibt?
Die Schrecken der Unsterblichkeit
Ich persönlich empfinde die Vorstellung eines Geistes, der in einem fühllosen Nichts ohne Eigenschaften dahinvegetiert und darauf wartet, wie die Ewigkeit an ihm vorbeizieht und niemals endet, unerträglich. Das ist, wie lebendig in einem Sarg eingeschlossen zu sein, ohne Chance, je herauszukommen aber auch ohne Chance, dem Eingesperrtsein durch den Tod entfliehen zu können. Dann lieber Schmerz und Leid im Kauf nehmen, als ein solches Schicksal erdulden zu müssen. Aus der Psychologie kennen wir das Phänomen der Selbstverletzung beispielsweise durch Ritzen. Ein solches Verhalten tritt sowohl bei Menschen aber auch bei Tieren in Gefangenschaft auf. Es ist unter anderem ein Versuch, der inneren Leere zu entfliehen, etwas zu spüren, selbst wenn das Gefühl Schmerz ist, Hauptsache fühlen! Und wie ich ja schon im Blogbeitrag „Wie real ist unser Geist?“ herausgearbeitet habe, ist es ja gerade die Fähigkeit zu Fühlen, die Gefühle, die den Geist ausmachen. Somit dürften wichtige Triebfedern des schöpferischen Geistes Langeweile, Lust und Neugierde sein, Triebfedern, die auf jeden Fall stärker sind, als der Wunsch nach Friede, Sicherheit und Fühllosigkeit.
Wozu dient dann aber die Getrenntheit?
Ein weiteres Indiz für Langeweile und Lust auf Neues ist die Existenz der Getrenntheit. Oder andersherum ausgedrückt, wieso hat der allumfassende Geist uns in einer Welt voller Leid und Elend auch noch mit Getrenntheit geschlagen? Wäre es für uns nicht viel beruhigender, einen wie auch immer gearteten Kontakt zum allumfassenden Geist zu besitzen, der uns Trost und Halt gibt. In der römisch-katholischen Liturgie wird diesem Bedürfnis nach Trost durch den allumfassenden Geist mit folgenden Worten Ausdruck verliehen: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach; aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Nicht nur Religionen, sondern auch führende Quantenphysiker sind davon überzeugt, dass eigentlich alles Eins ist:
Erwin Schrödinger: „Bewusstsein gibt es seiner Natur nach nur in der Einzahl. Ich möchte sagen: die Gesamtzahl aller »Bewusstheiten« ist immer bloß »eins«.“
Hans-Peter Dürr: „Materie als auch die Vorstellung von der Getrenntheit sind eine reine Illusion. Alle Atome des Universums sind im Hintergrund miteinander verbunden.“
Woher kommt dann diese Illusion der Getrenntheit? Könnten nicht alle Wesen des Universums mit dem allumfassenden Geist verbunden sein? Wenn der allumfassende Geist schon unbedingt eine Welt mit Leben und Leid erschaffen musste, warum hat er sich nicht einfach damit zufriedengegeben, sich an seinem allwissenden, nahezu allmächtigen und allumfassenden Bewusstsein zu erfreuen? Warum hat er sich nicht einfach damit begnügt, ewig in dem glückseligen Zustand von Erkenntnis, Frieden und Einheit zu verharren, den Meditationsmeister so sehnsüchtig über Jahrzehnte hinweg anstreben? Warum hat sich dieser Geist nicht einfach in seinem mentalen Sessel zurückgelehnt und sich mit seinem reinen Geistsein abgefunden? Welche wunderliche Laune hat ihn dazu bewogen, jeglichen bewussten Kontakt zu seinen Geschöpfen abzubrechen und sie mit ihrer Angst, ihrer Verzweiflung und ihrem Leid alleine zu lassen?
Getrenntheit gegen die Langeweile
Getrenntheit ist nötig, um die große Langweile des allumfassenden, allmächtigen und allwissenden Geistes zu überwinden. Es gibt nichts Langweiligeres als Geschichten, in denen alles eitel Sonnenschein ist, Geschichten, in denen allmächtige Überwesen jedes Problem mit einem Fingerschnippen lösen und der Zustand des Allwissens macht jegliche Überraschung, jegliches Staunen zunichte. Erst die Getrenntheit, erst die Limitierung unseres Daseins schafft Herausforderungen, schafft Abwechslung und bringt Spannung ins Leben. Es ist wie ein Spiel mit unterschiedlichen Spielfiguren. Solange der Geist alle Züge aller Figuren gleichermaßen kennt, ist das Spiel langweilig, nicht spannender als ein Selbstgespräch oder der Versuch, gegen sich selbst Schach zu spielen. Verliert der Geist jedoch jedes Mal wenn er sich in eine der Spielfiguren hineinversetzt sein allumfassendes Wissen und seine Macht, so wird das Spiel vielfältig, bunt und kurzweilig.
Getrenntheit ermöglicht Liebe
Getrenntheit ist nötig, um wahrhaft große Gefühle erleben zu können. Ohne Getrenntheit sind Gefühle wie Liebe, Freude, Humor, Sehnsucht ja selbst Trauer nur ein schaler Abgesang. Wir können zwar selbstverliebt sein, doch wahre Liebe können wir nur gegenüber anderen empfinden. Sich selbst eine Freude zu bereiten ist weit weniger befriedigend, als wenn uns ein geliebter Mensch mit etwas erfreut. Der Versuch, über einen eigenen Witz zu lachen, ist ähnlich zum Scheitern verurteilt, wie sich selbst zu kitzeln. Und auch negative Gefühle, die jedoch unser Innerstes berühren, benötigen Getrenntheit. Wie sollten wir Sehnsucht nach etwas empfinden, das stets bei uns ist? Wie könnten wir jemanden betrauern, der außerhalb von uns selbst nie existiert hat? Vielleicht werden Sie sagen, das ist doch toll, ein Leben ohne Sehnsucht und ohne Trauer. Doch sind es nicht gerade diese beiden leidvollen Gefühle, die uns die Kostbarkeit der Liebe vor Augen führen? Wie soll ich etwas schätzen, was jederzeit verfügbar und nie vergänglich ist? Wer ist sich schon dessen bewusst, wie wertvoll die Luft ist, die wir atmen?
Getrenntheit ermöglicht das Abenteuer
Die spektakulärste Form von Kurzweil ist das Abenteuer. Wären alle Wesen direkt miteinander verbunden, könnte keines davon dem anderen ein Leid zufügen. Es würde dieses Leid ja direkt selbst spüren. Niemand, der noch bei Verstand ist, verletzt sich selbst. Das Tolle daran wäre, dass alle Kriege, alle Verbrechen auf einen Schlag beendet wären. Doch im Gegenzug würden auch alle Abenteuer verhindert. Und dabei geht es gar nicht nur um die Abenteuer, die mit dem Kampf von Gut und Böse verbunden sind. Natürlich wird durch die Getrenntheit das aktiv Böse möglich und mit dem Bösen entsteht Platz für Heldinnen und Helden. Aber auch all die Abenteuer, bei denen es gar nicht um den Kampf Gut gegen Böse geht, wären plötzlich undenkbar. Riskante Expeditionen und extreme sportliche Erlebnisse würden nicht mehr stattfinden. Alles, was unter dem Motto läuft, „No risk, no fun“, wäre passé. Und warum? Weil jeder, der es vorsichtiger liebt, der eben kein Risiko und die damit verbundene Gefahr, sich zu verletzen, eingehen möchte, würde beim leisesten Anzeichen für einen Abenteurer sofort einschreiten. Denn jeden Schmerz, den sich ein Abenteurer zufügt, müssten dann ja auch die Vorsichtigen ertragen, die darauf überhaupt keine Lust haben. Eine Gesellschaft aus miteinander verbundenen Wesen wäre somit eine verdammt langweilige Spaßverhinderungsgesellschaft.
Zerstreuung im wahrsten Sinne des Wortes
Wenn also der allumfassende Geist der Ödnis und Hoffnungslosigkeit ewigem, allwissenden Daseins entfliehen wollte, dann hat ihm die Erfindung des Lebens und der Getrenntheit die ideale Ausflucht geboten. Er kann sich somit im wahrsten Sinne des Wortes zerstreuen, verteilen auf alle Individuen und mit jedem Leben neue Abenteuer und große Gefühle erleben. Gleichzeitig bietet ihm die Erfindung des Todes aber auch wieder die Möglichkeit, unerträglichen Daseinsformen und Schicksalen zu entfliehen, eine Flucht, die ihm bis zur Erfindung des Lebens lange verwehrt war. Bemerkenswert ist, dass wir Menschen uns ähnlich verhalten und selbst virtuelle Spielwelten erschaffen, in die wir uns zurückziehen, um uns von der Ödnis unseres eigenen Daseins zu flüchten. Und auch wir können zwischen mehreren virtuellen Existenzen wechseln und parallel mehrere Rollen einnehmen. So können wir im Harry Potter Spiel ein eifriger Zauberlehrling sein, in Grand Theft Auto ein kleinkriminelles Mitglied einer Gang und in Tomb Raider werden selbst männliche Spieler zu Lara Croft. Wir können beliebig oft die Rollen wechseln und wenn wir eine dieser Rollen eingenommen haben, dann sind wir ganz gefangen in der jeweiligen Spielwelt. Unsere Probleme in der „realen“ Welt haben wir dann genauso vergessen, wie die Probleme, mit denen wir uns gerade in den anderen Spielen herumärgern. Ist das nur eine Möglichkeit des menschlichen Gehirns oder ist das viel mehr die Natur des allumfassenden Geistes, der uns alle gleichermaßen erfüllt?
Der allumfassende Geist muss auch Leid und Elend miterleiden und dürfte somit prinzipiell nach dem Guten streben. Und obwohl er nicht allmächtig ist, lässt sich die Verantwortung für das Böse in unserer Welt nicht rein auf das seelenlose Prinzip von Ursache und Wirkung abschieben. Der Geist trägt mit Verantwortung, denn er hat diesen ganzen Prozess von Leben und somit von Tod, Leid und Elend angestoßen. Aber eine absolut heile Welt, wäre auch eine langweilige Welt ohne Gegensätze, eine Welt ohne das herausragend Gute.
Eher gut, aber deshalb gleich absolut gut?
Im Beitrag „Ist der allumfassende Geist nun gut oder allmächtig?“ habe ich aufgezeigt, dass ein alles umfassender und mitfühlender Geist zwangsläufig dem Guten zustrebt, er andererseits aber sicher nicht allmächtig sein kann. Wir könnten es uns nun einfach machen und sagen, der allumfassende Geist steht für das absolut Gute, alles Böse stammt aus der materiellen Welt von Ursache und Wirkung. Alles Leid entsteht aufgrund des rücksichtslosen und gefühllosen Ablaufens deterministischer Prozesse. Wenn ich mich einem herabfallenden Fels in den Weg stelle, wird er mich erschlagen. Daran kann auch der wohlwollendste Geist aus der Quantenwelt nichts ändern. Und es ist leider wahr, es gibt im Leben Situationen, da könnte uns nur ein Wunder vor Leid und Elend bewahren, da alle Optionen, die im Einklang mit den Naturgesetzen stehen, zwangsläufig zu Verletzungen führen. Doch ganz so leicht kann sich der allumfassende Geist nicht aus der Verantwortung stehlen.
Wer trägt die Verantwortung für das Böse?
Ein Weltbild, in dem das absolut Gute geistig ist und das Fleisch, also die physische Welt mit ihrem gnadenlosen Darwinismus als Gegenprinzip das Böse ist, gab es bereits im Mittelalter. Die sogenannten Gnostiker gingen von einem vollkommenen, allumfassenden Gott aus und von einem weniger vollkommenen, physischen Weltenschöpfer, den Demiurg, der das All mit all seinen negativen Seiten geschaffen hat. Einige Gnostiker gingen dabei so weit, die gesamte materielle Welt und somit auch den menschlichen Körper dem Bösen zuzuordnen. Doch wenn wir an den Beitrag „Gibt es einen allumfassenden Geist?“ zurückdenken, so lehren uns sowohl die Quantenphysiker als auch die Weltreligionen, dass alles mit allem verbunden ist. Eine so strikte Trennung von Geist und physischer Welt entspricht nicht diesem Prinzip. Irgendwie scheint also die Wurzel allen Übels doch auch zu einem gewissen Maß dem Geist innezuwohnen.
Schöpfungsprinzip der Gegensätze
Eigentlich hatten die Gnostiker es schon ganz richtig erkannt, unser Universum existiert nur aufgrund der Gegensätze. Ohne Gegensätze wäre alles ein fühlloser Einheitsbrei. Ohne Licht kein Schatten, ohne Oben kein Unten und ohne Heiß kein Kalt. Die chinesische Philosophie bezeichnet dieses Prinzip als Yin und Yang, Und dieses Prinzip ist nicht nur auf unsere erlebbare Welt beschränkt. Auch im Allerkleinsten, beim Entstehen von Elementarteilchen bildet sich stets ein gegensätzliches Teilchenpaar aus, zu jedem Teilchen gibt es ein entsprechendes Antiteilchen. Kommen sie zusammen, löschen sie sich gegenseitig aus. Und selbst in kosmischen Dimensionen gibt es diese Gegensätze. So ist der Kosmos nicht nur von hell strahlenden Sternen erfüllt, sondern auch von finsteren Antisternen, den schwarzen Löchern, die alles Licht absorbieren. Das besondere an diesen Gegensätzen ist, dass sie trotz ihrer Verschiedenheit von gleicher Natur sind. Sie können sich gegenseitig auslöschen oder ineinander übergehen. Nur ein besonders hell strahlender Stern kann, wenn er kollabiert, zu einem schwarzen Loch werden. Doch ein absolut guter Geist hat keine Verwandtschaft mit absolut böser Materie.
Es gibt keine böse Materie
Determinismen unbeseelter Materie können nicht böse sein. Sie laufen einfach ab, egal welche Folgen sie haben. Eine einmal abgefeuerte Kugel zerstört ihr Ziel, egal ob dies dazu dient, einen Terroristen die Waffe aus der Hand zu schießen und so Leben zu retten oder um eine wehrlose Geisel zu ermorden. Gut und Böse, Freud und Leid entstehen erst durch die bewusste Betrachtung seitens eines fühlenden Geistes. Erst die Intention des Täters in Kombination mit der empfundenen Auswirkung auf fühlende Wesen entscheiden darüber, ob eine Tat gut oder böse ist. Das Zerstören eines unbelebten Gegenstandes ist somit erst einmal keine böse Tat. Erst wenn diese Zerstörung von einem Mensch oder Tier als Verlust, Frevel oder Beeinträchtigung seines Wohles wahrgenommen wird, wird die Tat zu etwas Negativen. Umgekehrt kann so manch gut gemeinte Handlung unbeabsichtigt anderen maßloses Leid zufügen und somit als böse empfunden werden. Doch wie kann etwas böse sein, dessen Intention eigentlich war gut? Und wie kann etwas gut oder böse sein, dem überhaupt keine Intention zugrunde liegt?
Erst das Leben brachte das Leid
Wenn nun der allumfassende Geist der Urgrund aller Materie ist, wieso hat er überhaupt diese grausame Maschinerie von Leid und Elend angestoßen? Hätte es nicht genügt, nach dem schönen Feuerwerk des Urknalls den Rest einfach der Entropie zu überlassen und entspannt dabei zuzusehen, wie sich alles gleichmäßig im All verteilt? Niemandem wäre dabei irgendein Leid zugefügt worden. Zugegeben, es ist schon beeindruckend, dass sich entgegen aller Naturgesetze aus dem Nichts Materie gebildet hat und sich daraus anstatt der zu erwartenden Gleichverteilung Ordnung und Struktur entwickelt haben. Bis dahin wäre ja alles kein Problem gewesen, doch was hat den schöpferischen Geist dazu getrieben, diese Materie mit beseeltem Leben zu erfüllen? Hätten es nicht auch seelenlose Bioautomaten getan, die wie Roboter seine Schöpfung erfüllt hätten? Aber nein, es musste ja unbedingt beseeltes Leben sein, denn erst damit kamen Tod, Leid und Elend in diese Welt.
Warum müssen wir den Igel anfassen?
Um das zu verstehen, möchte ich noch einmal das Beispiel mit dem Igel ins Gedächtnis rufen. Wenn wir das stachelige Kerlchen mit bloßen Händen hochnehmen wollen, sind wir bemüht, unseren Fingern so wenig Leid wie nur möglich zuzufügen; also versuchen wir den Schmerz gleichmäßig auf alle Finger zu verteilen. Die Intention ist möglichst wenig Schmerz und Leid, doch was in Gottes Namen zwingt uns überhaupt dazu, den Igel anzufassen? Würden wir ihn nicht anfassen, gäbe es überhaupt keinen Schmerz, kein Leid. Und es ist selten reine Fürsorge für das Tier, sondern oft nur Lust und Neugierde, die uns zu diesem schmerzhaften Handeln treiben. Selber schuld werden Sie sagen. Und genauso schuld könnte auch der schöpferische Geist an der Existenz des Bösen sein. Denn wozu hat er überhaupt das Leben in die Welt gesetzt, wo doch erst dadurch Leid, Elend und somit das Böse entstanden sind? Tote Materie kennt kein Leid, keinen Schmerz, keine Angst und keinen Tod. Wozu Materie und Leben erschaffen, wenn sich der allumfassende Geist damit nur selbst quält? Könnte es nicht ähnlich sein, wie bei unserem Igel? Wäre es nicht denkbar, dass auch den schöpferischen Geist so völlig irrationale Bedürfnisse, wie Langeweile und Lust auf Neues, zur Erschaffung einer belebten Welt getrieben haben?
Wie erstrebenswert ist eine perfekte Welt?
Doch was schließen wir daraus? Ist böse und gemein sein vielleicht gar im Sinn des Schöpfers? – Das vielleicht nicht gerade, aber wo es kein Böse, keine Gefahr, kein Leid gibt, gibt es auch keine Helden. Es ist ein wenig wie in den Alpen, ohne Täler keine Berge, nur durch die Gegensätze wird das Herausragende herausragend. Superhelden brauchen Superschurken und in einer perfekten Welt wäre Mutter Theresa nichts weiter als eine nette alte Dame ohne rechte Aufgabe gewesen. Erst die Extreme und das Böse bringen den wirklichen Charakter eines Menschen an den Tag. Erst im Krieg wurden unsere Väter und Großväter zu Helden oder zu Kriegsverbrechern. Unsere Generation des Friedens bewegt sich in einer wohltemperierten Komfortzone der Unwissenheit. Wir wissen nicht, wer wir wirklich sind, was tatsächlich in uns schlummert, ob wir in Wahrheit Helden oder Bestien sind. Das wahrhaft Gute braucht das Böse, denn erst durch das Böse wird es überhaupt sichtbar.
Nicht umsonst tun wir uns so schwer mit Utopien von einer heilen Welt, einer Welt in der alle gleichgeschaltet sind, einer Welt in der kein Platz für individuelle Schwächen ist. Nun würde ich niemandem empfehlen, böse zu sein, damit die Guten eine Aufgabe haben, aber vielleicht sollten wir uns ja an die zehn Gebote des Billy Wilder halten von denen neun lauten: „Du sollst nicht langweilen.“ Wagen Sie doch einmal das ketzerische Experiment und stellen Sie sich vor, Sie sind der alles umfassende, mitfühlende Geist; wem würden Sie lieber innewohnen, einem Buchhalter oder einem Abenteurer? Zumindest ich habe für meinen Teil beschlossen, zwar so wenig Leid wie möglich zu verbreiten, aber gleichzeitig den Geist der mir innewohnt nicht zu langweilen. Oder um es ein wenig biblischer zu formulieren:
Du sollst Gott nicht langweilen!
Klar bin ich mir bewusst, dass dieser Gedanke nach reiner Ketzerei und unzulässigem Anthropomorphismus klingt, doch diese Begründung würde nicht nur erklären, warum eine physikalische Welt existiert, sie hätte zusätzlich auch den Charme, dass damit ein weiteres Rätsel beantwortet wäre; nämlich „Wieso gibt es die Getrenntheit?“.
Schmerz und Leid verhindern Verletzungen und bieten einen evolutionären Vorteil. Nur bewusst empfundener Schmerz ermöglicht es uns intelligent auf seine Ursachen zu reagieren. Schmerz und Leid müssen intensivere Gefühle sein, als Wohlgefühl und Freude, sonst würden wir sie ignorieren. Selbstmord ist ein fehlgeleiteter Fluchtinstinkt aus einer gefühlt ausweglosen Situation. Schmerz und Leid verschaffen uns einen evolutionären Vorteil, der keine göttliche Ursache als Erklärung benötigt. Doch gerade in Momenten von größten Schmerz und Leid ist der mitfühlende göttliche Geist ganz bei uns.
Die gemeinste Erfindung der Schöpfung
Schmerz und Leid sind wohl die rätselhaftesten Eigenschaften der belebten Natur. Wie oft fragen wir uns, warum wir und unsere Mitgeschöpfe leiden müssen. Leiden ist dabei nicht nur physischer Natur sondern oft viel schlimmer noch das Leid, das bewusst oder unbewusst unseren Seelen angetan wird. Ein Leid, das Menschen erschreckend häufig soweit treibt, entgegen aller Überlebensinstinkte ihrem Leben ein Ende zu setzen. Laut WHO waren 2014 in wohlhabenden Ländern Suizide in der Altersgruppe zwischen 15 und 29 Jahren die häufigste Todesursache. Das ist besonders erschreckend, wenn man aus der Warte eines fortgeschrittenen Lebensalters neidvoll auf genau diese Altersgruppe blickt. Wenn es tatsächlich einen göttlichen Schöpfer gibt, warum hat er sich so etwas Gemeines wie tobende Schmerzen, panische Angst und tiefe Trauer einfallen lassen?
Schmerz ist unser wichtigstes Gefühl
Um hierauf eine Antwort zu finden, werfen wir einen Blick auf die Urform des Leids, den Schmerz. Was wäre, wenn wir keinen Schmerz empfinden? Die Antwort darauf gibt die Krankheit Lepra. Allgemein ist sie als schrecklicher Aussatz bekannt, der unbehandelt zu Wundfäule bis hin zum Verlust von Gliedmaßen führt. Doch eigentlich ist Lepra lediglich eine Haut- und Nervenkrankheit die zu hässlichen Hautflecken und zu Schmerzunempfindlichkeit führt. Die Verstümmelungen kommen daher, dass durch das fehlende Schmerzempfinden unbemerkt Verletzungen auftreten, insbesondere Verbrennungen. Da der Erkrankte von alldem nichts spürt, bleiben die Verletzungen oft unbehandelt, was dann zu den schrecklichen Entzündungen führt. Deshalb ist Schmerz eine unserer wichtigsten Empfindungen. Lebewesen, die keinen Schmerz empfinden, sterben früher und werden daher durch die natürliche Selektion aussortiert. Die Empfindung Schmerz lässt sich somit rein mit evolutionären Vorteilen erklären.
Wir wollen bewusst auf Schmerz reagieren
Doch ist das wirklich nötig? Maschinen spüren keinen Schmerz, doch wir können sie mit Sensoren ausrüsten, die sie vor Schäden bewahren und damit fahren sie recht gut. Warum kann sich Schmerz nicht auch als eine deutliche aber eben erträgliche Information beschränken? Warum muss Schmerz bewusst sein? Warum ist das nicht einfach eine Empfindung, die rein unterbewusst wahrgenommen wird und auf die wir automatisch reagieren ohne dabei leiden zu müssen? Das wäre so etwas wie ein Fahrerassistenzsystem, das im Zweifelsfall die Steuerung unseres Autos übernimmt. Wenn der Ölstand zu niedrig ist, wird das Auto an den Rand gefahren und fährt erst weiter, nachdem wir Öl nachgefüllt haben. Wenn Glatteis droht, wird unsere Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h gedrosselt. Wenn beim Einparken der Abstand zum Hintermann geringer als 10 cm ist, startet der Einparkassistent überhaupt keinen Einparkversuch, auch wenn in dem Viertel kein Parkplatz groß genug ist, um diesen Sicherheitsabstand einzuhalten. Rasch müssen wir zugeben, dass wir so etwas nicht wollen. Wenn uns das System einen Hinweis gibt, ist das okay, doch die Entscheidung wollen wir dann schon selbst treffen, denn wir sind nun einmal bewusste Lebewesen, die Herr im eigenen Haus sein wollen. Und genauso läuft es beim Schmerz. Der Schmerz ist nur der Hinweis an unser Bewusstsein. Wir entscheiden selbst, ob wir die heiße Tasse loslassen oder nicht. Ist die Tasse über der Spüle, lassen wir unserem Impuls freien Lauf, ist sie über einer wertvollen Briefmarkensammlung, beißen wir die Zähne vielleicht doch noch etwas zusammen. Und auch hier ist die treibende Kraft wieder mal ein evolutionärer Vorteil.
Nur der Clevere überlebt
Stellen Sie sich drei Steinzeitjäger vor. Der eine ist ein harter Kerl. Wenn er sich einen Stein eintritt ignoriert er einfach den Schmerz. Der zweite ist ein Weichei und bleibt egal in welcher Situation stehen und entfernt den Stein aus seiner Fußsohle und der dritte ist der Clevere und entscheidet abhängig von der Situation, wie er handelt. Alle drei toben im Spiel herum und treten sich Steine ein. Das Weichei und der Clevere bleiben stehen und entfernen den Stein, der harte Kerl läuft weiter. Am nächsten Tag hat der harte Kerl einen entzündeten Fuß. Nun will es das Schicksal, dass die drei von einem Rudel Wölfe verfolgt werden. Der harte Kerl ist am langsamsten weil sein Fuß entzündet ist und wird leider gefressen. Der Clevere und das Weichei freuen sich und fliehen, bis sich beide wieder einen Stein eintreten. Wer von den beiden wird wohl als nächster gefressen?
Es muss eine laute Sirene sein
So einfach ist das mit dem evolutionären Vorteil. Deshalb ist für den bewussten Schmerz das „böse“ deterministische Prinzip verantwortlich und nicht der „liebe“ Gott. Dennoch stellt sich die Frage, warum Schmerz dann so verdammt weh tun muss? Uns genügt ja auch ein blinkendes Warnlicht, um mit dem Auto an den Rand zu fahren, es muss nicht gleich eine ohrenbetäubende Sirene losheulen. Doch betrachten wir einmal die Fülle an Wahrnehmungen die unsere Sinne Sekunde für Sekunde an unser Gehirn liefern. Wenn wir nicht einschlafen können, fällt uns das erst so richtig auf. Dann drückt die Blase obwohl wir gerade von der Toilette kommen, die Bettdecke ist zu warm, das leise Tropfen des Wasserhahns nervt, der Mund ist zu trocken, das linke Nasenloch verstopft, der Pyjama kratzig, der Mückenstich juckt unerträglich und die Matratze ist viel zu hart. Es ist ganz so, als würden wir in einem Auto sitzen in dem an allen möglichen Ecken und Enden bunte Lämpchen blinken und es überall piepst und pfeift. In so einem Chaos hilft uns ein dezent blinkendendes Warnlicht überhaupt nichts. Es ist nun mal so, dass ständig Impulse aus unserer Umwelt, aus unserem Körper und aus unserem Gehirn um die Aufmerksamkeit unseres Bewusstseins buhlen. Da hilft kein leichtes Kribbeln wenn die Tasse heiß ist, da muss eben zur lauten Sirene Schmerz gegriffen werden.
Sorgen bringen uns durch den Winter
Gleiches gilt für Kummer und Sorgen. Dabei geht es meist um Themen denen wir lieber aus dem Weg gehen. Was kümmert uns der Kontostand, solange der Geldautomat noch etwas ausspuckt. Genießen wir das Leben, machen wir Party und gönnen wir uns etwas. Doch dank unserer Sorgen um den nächsten Tag und unsere Zukunft können wir vorausschauend planen und Dinge tun, die uns zwar keinen Spaß im Hier und Jetzt bringen, aber dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft noch da sind um Spaß zu haben. Nichts anderes hat die Jäger und Sammler dazu gebracht, Vorräte für den Winter anzulegen. Wer das nicht getan hat, dessen Chancen standen schlecht auch im nächsten Jahr noch sein Erbgut weiterzugeben. Nun sind Spaß und Freude verdammt intensive Gefühle, da müssen eben Kummer und Sorgen einfach noch etwas intensiver sein, damit wir sie nicht ignorieren.
Ohne Rudel droht der Tod
Doch wie erklären wir uns evolutionär das Phänomen des Selbstmords. Warum können uns Kummer und Sorgen umbringen? Das macht doch aus evolutionärer Sicht keinen Sinn! Oder etwa doch? Wenn ein Steinzeitmensch in einer Situation war, die für ihn gefährlich oder bedrohlich war, dann galt es entweder anzugreifen oder zu fliehen. Doch wohin sollen wir fliehen, wenn die Bedrohung, die Angst nicht nachlässt? Wenn dieses Gefühl für uns allgegenwärtig und gleichermaßen nicht greifbar ist? Die Panik zu versagen, gemobbt zu werden, unsere Schulden nicht mehr bedienen zu können ist stets auch eine Angst davor, nicht mehr zur Gemeinschaft zu gehören. Und so zivilisiert wir uns auch geben mögen, genetisch sind wir nahezu identisch mit einem Urmensch. Und damals galt, wer nicht mehr Teil des Rudels war, war dem Untergang geweiht.
Flucht an einen Ort ohne Angst
Und diese Angst ausgestoßen zu sein ist riesig. Im Altertum zählte die Verbannung zu den härtesten Strafen. Wo gibt es einen Ort, an dem uns keine Ängste mehr verfolgen? Wohin sollen wir fliehen, wenn der Feind in unserem Kopf sitzt? Und hier erscheint die Flucht ins Nichts, in die Fühllosigkeit des Todes plötzlich als einzige Alternative. Nicht umsonst heißt es: „Er hat keinen anderen Ausweg mehr gesehen?“ Letztendlich haben wir es beim Selbstmord also mit einem fehlgeleiteten Fluchtinstinkt zu tun. Das ist nichts anderes als ein Mensch, der auf der Flucht vor den Flammen aus einem brennenden Hochhaus in den sicheren Tod springt. Die Selbstmordstatistik unter Jugendlichen liefert ein bitteres Bild über den Zustand unserer Gesellschaft. Statt unseren Nachwuchs aufzufangen, ihm einen Sinn zu geben zerbrechen immer öfter die familiären Strukturen, der Freundeskreis löst sich mit Beginn der Ausbildung auf und der Druck, rasch Leistung zu bringen, steigt von Jahr zu Jahr. Der Steinzeitmensch in uns sieht kein Rudel mehr, das uns schützt, das uns über schwierige Zeiten hinweg trägt. Und plötzlich beginnt die Suche nach einem Ausweg, nach einer Fluchtmöglichkeit. Das Beispiel von dem Mensch, der aus Angst vor den Flammen in den Tod springt, zeigt hierbei auf, wie groß die subjektiv empfundene Not sein muss, damit ein Jugendlicher entgegen seines evolutionären Selbsterhaltungstriebs seinem Leben ein Ende bereitet.
Ausgestoßen aber nie allein
Besonders perfide empfinde ich in diesem Zusammenhang die mittelalterliche Strategie der Kirche, dem Selbstmörder auch noch im Jenseits durch Höllenqualen und Ausstoß aus der Gemeinschaft über den Tod hinaus jegliche Fluchtmöglichkeit zu nehmen. Und wo finden wir bei all dem den mitfühlenden Geist? Genau da, wo das bewusste Gefühl ist. Unser Geist, der Teil des allumfassenden Geists ist, ist erfüllt von all den Gefühlen, die wir in diesen schrecklichen Momenten erleben: Schmerz, Leid, Angst und Panik. Von daher können wir wohl sagen, egal wie ausgestoßen wir uns fühlen, egal wie viel Leid wir empfinden, wir sind nicht allein, denn der Geist, der uns in die Lage versetzt, Gefühle, Freude und Liebe zu empfinden, ist in so einer Situation ganz bei uns, fühlt genauso intensiv mit uns (siehe „Wie real ist unser Geist?“ ). Und je intensiver das Gefühl ist, desto stärker ist der mitfühlende Geist bei uns, in uns. Es macht keinen Sinn, diesen Geist für unser Leid zu verfluchen, er ist nicht dafür verantwortlich, dass die Evolution genau diese Facette unserer Gefühlsmöglichkeiten zur Arterhaltung nutzt (siehe „Ist der allumfassende Geist nun gut oder allmächtig?“). Vielmehr sollte es uns trösten, dass der mitfühlende Geist derjenige ist, der in der Stunde unserer größten Not stets bei uns ist, uns nie verlässt, uns nie aufgibt.
Bereits die Evolution toter Materie lässt ein intelligentes Eingreifen vermuten. Das Prinzip der Variation in der Evolution kommt zwar hervorragend ohne Gott aus, doch bei der evolutionären Innovation scheint ein Geist mitzuwirken. Zweiköpfige Mutationen, Nahtoderfahrungen und universale Schönheit widersprechen der seelenlosen Evolutionslehre. Die parallele Entwicklung unterschiedlicher Arten lässt einen großen Plan vermuten.
Trickreiche Evolution toter Materie
Wenn wir von Evolution sprechen, so denken wir in erster Linie an die Evolution des Lebens. Doch auch die makroskopische Welt der Materie bis hin zu Sternen und Galaxien hat sich evolutionär entwickelt. Doch diese Evolution scheint dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu widersprechen. Dieser besagt nämlich, dass alle Systeme zur maximalen Entropie streben. Mit anderen Worten, das Chaos nimmt auf Dauer zu. Geben Sie Milch in den Tee, wird sich diese auch ohne Umrühren mit der Zeit gleichmäßig verteilen. Eine Vase, die zu Boden fällt wird zerbrechen, werfen Sie die Scherben in die Luft, werden diese sich jedoch nicht mehr zu einer Vase zusammensetzen. Offensichtlich verhält sich unser Universum anders, als es sollte. Wenn ich mir so den Urknall anschaue, dann haben wir da eigentlich schon den Zustand von maximalem Chaos: einen unstrukturierten Brei aus unglaublich viel Energie. Und anstatt sich gleichmäßig im Raum zu verlieren, hält sich diese Energie so gar nicht an die Spielregeln. Sie bildet Materie, Nebel, Sonnen, Planeten, es wachsen geometrisch perfekte Kristalle, Leben entsteht, intelligentes Leben, Häuser, Städte, Maschinen, Computer, Raketen und vielleicht sogar Ufos, die heimlich Leben auf fremde Planeten einschleppen. Das alles ist aus einem angeblich stecknadelkopfgroßen Energieimpuls ganz von alleine und in erstaunlich kurzer Zeit entstanden. Die Thermodynamiker machen es sich einfach und sagen: „Das mag schon sein, aber in Summe nimmt die Entropie zu, weil doch alles auseinanderdriftet und die geballte Energie des Urknalls sich immer weiter im Weltall verteilt.“ Aber nichts destotrotz gibt es hier ganz offensichtlich ein Prinzip, das trickreich für Ordnung sorgt, ohne dabei den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu verletzen. Im Beitrag „Kann das Universum einen Geist besitzen?“ haben wir die Gravitation als eine Quelle dieser ordnenden Kraft identifiziert, doch es ist zweifelhaft, dass die Ordnung unseres Universums ganz ohne Intelligenz entstanden ist.
Warum haben Mäuse keinen Radioempfang?
Offensichtlich ist das bei der biologischen Evolution einfacher. Hier erklären die Prinzipien Variation und Selektion wunderschön die Entwicklung der Arten ohne dabei göttliche Einmischung zu benötigen. Sie lassen sich gezielt vorantreiben und werden seit Jahrhunderten von Züchtern angewandt. Hätten wir beliebig Zeit, könnten wir ohne Probleme Mäuse züchten, die fett wie Schweine und alt wie Schildkröten würden. Doch eine Maus mit Radioempfänger lässt sich nicht durch Selektion züchten. Denn Variation und Selektion können nur das optimieren, was bereits vorhanden ist. Wirklich Neues lässt sich nicht gezielt steuern, es handelt sich hierbei um Innovation in der Evolution die auf reinem Zufall basiert.
Warum Haie innovativer als Mäuse sind
Wenn Sie jetzt glauben, dass das Beispiel mit dem Radioempfänger in einer Maus unrealistisch ist, dann unterschätzen Sie die Kreativität der Evolution. Beispielsweise besitzen Haie sogenannte Lorenzinische Ampullen. Damit können sie elektrische Felder wahrnehmen, sich am Erdmagnetfeld orientieren und sogar im Sand versteckte Fische aufstöbern. Mit etwas Zucht und Auslese wäre damit sicherlich auch ein Radioempfang möglich, denn das wäre dann nur noch Variation und nicht mehr Innovation. Die Mechanismen, die solchen qualitativen Sprüngen zugrunde liegen, sind noch weitgehend ungeklärt. Mutationen spielen in den Theorien für Innovation in der Evolution eine zentrale Rolle, doch die haben in der Regel eher Erbgutschädigungen anstatt innovativer Verbesserungen zur Folge.
Zwei Köpfe, evolutionärer Vor- oder Nachteil?
Auch der folgende Fall will so gar nicht in die Theorie der Innovation durch nützliche Mutationen passen. Es ist das Vorkommen zweiköpfiger Mutationen, die sich offensichtlich nicht im Tierreich durchsetzen konnten. Doch woran liegt das? Biologen argumentieren, dass diese Mutation keinen evolutionären Vorteil liefert, mit dem Hinweis darauf, dass es zu Streitigkeiten bei der Nahrungssuche komme. Doch diese Argumentation ist extrem schwach, schaffen es doch nahezu alle Rudeltiere hervorragend, Jagdgemeinschaften zu bilden, bei denen es eine ganz klare Fressordnung gibt. Viel mehr bieten zwei Köpfe durchaus deutliche Vorteile. Beispielsweise kann der eine Kopf nach Feinden Ausschau halten, während der andere frisst. Oder ein Kopf schläft und der andere wacht, somit wäre ein solches Wesen nicht mehr an den gefährlichen und untätigen Zyklus von Wachen und Schlafen gebunden. Und langweilig wird es einem mit zwei Köpfen auch nie mehr. Somit müssen wir feststellen, dass durchaus ein evolutionärer Vorteil gegeben wäre.
Ist Leben mit zwei Köpfen möglich?
Als nächstes müssen wir klären, ob diese Form der Mutation oft genug auftritt? Und auch das können wir ganz klar mit ja beantworten. Unabhängig von der Spezies treten zweiköpfige Mutationen relativ häufig auf, nämlich im Schnitt einmal pro einer Million Geburten, bei Abermilliarden Lebewesen passiert das auf der Erde somit tagtäglich. Vielleicht liegt es ja daran, dass diese Wesen nicht lebensfähig sind, doch die folgenden Beispiele belegen etwas anderes:
Mädchen mit zwei Köpfen
Zweiköpfige Schlange
Zweiköpfige Schildkröte
Die Evolution mag keine Fabelwesen
Bleibt nur noch die Vermutung, dass zweiköpfige Tiere nicht fortpflanzungsfähig sind, sondern nur Zwillinge, die im Mutterleib zusammengewachsen sind, also eine Art Unfall und gar keine genetische Mutation. Doch auch das ist mittlerweile widerlegt, nachdem es Forschern gelungen ist, bei Quallen doppelköpfige Wesen zu züchten, indem sie das sogenannte Cnox- Gen blockiert haben (mehr dazu hier). Und jetzt kommt die große Frage, warum gibt es nirgends im gesamten Tierreich eine Art mit zwei Köpfen? Bei keiner einzigen heute lebenden noch bei irgendeiner fossilen Insekten-, Reptilien-, Fisch-, Vogel- oder Säugetierart konnte sich dieses Prinzip durchsetzen. Fast könnte man meinen, dass das Prinzip, das hinter der Innovation in der Evolution steht, etwas gegen zweiköpfige Kreaturen hat.
Kein Patentschutz auf evolutionäre Erfindungen
Umgekehrt gibt es Innovationen, die die Evolution besonders bevorzugt und immer wieder parallel erfindet. Dieses als Konvergenz bekannte Phänomen steht für die Tatsache, dass über alle möglichen Arten hinweg äußere Formen, Organe, Augen, Flügel und Flossen nahezu identisch aber völlig eigenständig entstanden sind. So sind die Flossen von Haien und Delfinen nahezu identisch, genauso wie die Flügel von Fledermäusen und prähistorischen Flugsauriern. Das geht sogar so weit, dass sich beispielsweise Tierläuse gleich zweimal unabhängig voneinander entwickelt haben.
Konvergenz oder Kontingenz, das ist hier die Frage
Selbst unter Verfechtern der Evolutionstheorie herrscht Streit über Erklärungsmodelle zur Konvergenz. So gehen extreme Vertreter der Konvergenztheorie davon aus, dass die Entwicklung der Arten bis hin zum Mensch durch Gesetzmäßigkeiten vorgegeben ist, die bereits beim Urknall festgelegt wurden. Die Entstehung der Arten würde somit unter ähnlichen Bedingungen immer wieder einen ähnlichen Verlauf nehmen. Ganz im Gegensatz dazu stehen die Verfechter der Kontingenztheorie, die die Entwicklung der Arten ausschließlich durch zufällige Ereignisse und Mutationen getrieben sehen, wobei sich irdisches Leben nie zweimal gleich entwickeln würde. Der Haken an der Kontingenztheorie ist, dass sie keine vernünftige Antwort auf die Ausbildung konvergierender Merkmale während der verhältnismäßig kurzen Evolution tierischen Lebens liefert. Es ist schon schwierig genug, anhand rein zufälliger Mutationen die einmalige Entwicklung komplexer Sinnesorgane zu erklären, geschweige denn deren mehrfache Ausbildung. Umgekehrt drängt sich bei der Konvergenztheorie der Gedanke an einen planenden Schöpfer auf, was von der Mehrzahl der Evolutionstheoretiker strikt abgelehnt wird.
Augen, wohin man schaut
Betrachten wir in diesem Zusammenhang einmal genauer die parallele Evolution des Auges, die im Tierreich mindestens 40-mal unabhängig stattgefunden hat und das auch noch in höchst komplexen Varianten, wie den Facettenaugen von Insekten, den sechs Augen von Spinnen, den Lochkameraaugen von Schnecken und den unterschiedlichsten Linsenaugen von Oktopoden, Fischen, Vögeln und Säugetieren. Wir müssen dabei auch noch bedenken, dass Licht genauso wie Radiosignale aus elektromagnetischen Wellen besteht. Das bedeutet, dass die Herausforderung, ein Auge zu erfinden, mindestens genauso groß ist, wie die, eine Maus mit einem Radioempfänger auszustatten.
Ist das Auge der lang gesuchte Gottesbeweis?
Das klingt schon fast wie ein sicherer Gottesbeweis. Hinzu kommt noch, dass viele Kritiker der Evolutionstheorie bezweifeln, dass eine schrittweise Evolution hin zu einem funktionierenden Linsenauge überhaupt möglich ist. Denn erst das perfekte Zusammenspiel aller Komponenten von Hornhaut, Linse, Muskulatur, Glaskörper, Netzhaut, Sehnerv ermöglicht es, dass ein verwertbares Bild das Sehzentrum des Gehirns erreicht. Keine der Komponenten ist verzichtbar für das, was wir Seherlebnis nennen. Und bereits Darwin selbst schrieb in Seinem Buch ‚The Origin of Species‘: „Wenn gezeigt werden könnte, dass es irgend ein komplexes Organ gibt, das unmöglich durch mehrfache, aufeinanderfolgende, geringfügige Abänderungen geformt werden könnte, würde meine Theorie total zusammenbrechen.“
Wer Augen in Serie erfindet, kann auch den Rest
Doch so überzeugend das erst einmal klingen mag, gibt es ein gravierendes Problem mit dem schöpferischen Prinzip aus der Quantenwelt, das ich in den vorangegangenen Beiträgen hergeleitet habe. Zwar könnte dieser Schöpfer aus dem Reich der Quanten sich über Quanteneffekte bei Mutationen ohne Verletzung von Naturgesetzen einmischen (siehe Spontanmutationen), doch die ständige Neuentwicklung komplexer Sinnesorgane über eine gezielte Manipulation der evolutionären Prozesse würde bedeuten, dass er letztendlich doch in der Lage sein müsste, Leben nach seinem Plan zu gestalten. Und ein Schöpfer, der alles Leben am Reißbrett vorausplanen kann, trägt auch die volle Verantwortung für Leid und Elend, welches dieses Leben bestimmungsgemäß verbreiten oder erdulden muss. Somit wäre dieser schöpferische Geist auch voll und ganz für das Prinzip Leben-frisst-Leben verantwortlich, was wiederum nicht zu einem guten, alles beseelenden Geist passt.
600 Millionen Jahre können verdammt kurz sein
Höhere Lebewesen gibt es etwa seit 600 Millionen Jahren. Das klingt erst einmal viel, ist aber für das zig-fache, unabhängige Erfinden von Augen durch zufällige Mutationen bei allen möglichen Spezies ein verdammt kurzer Zeitraum. Dies gilt insbesondere deshalb, weil vor ca. 530 Millionen Jahren während der Kambrischen Explosion, also dem Zeitpunkt an dem die Artenvielfalt entstand, schon zahllose Tiere über Augen verfügten. Doch wie lässt sich die parallele Entwicklung von Augen in so kurzer Zeit erklären, wenn offensichtlich die evolutionäre Innovation zu unwahrscheinlich ist und wir auch Zweifel an einer göttlichen Urheberschaft haben? Letztendlich bliebe dann doch nur die evolutionäre Variation. Aber das würde bedeuten, dass alle Lebewesen, die über Augen verfügen, einen gemeinsamen Urvater des Sehens besitzen müssten. Um den zu finden müssen wir zurückgehen bis zu den Einzellern, denn erst hier treffen sich die Stammbäume aller Tierarten die über Augen verfügen. Doch kann es wirklich sein, dass bei derart primitiven Lebensformen wie Einzellern schon die Fähigkeit zu sehen angelegt war?
Das erste Augentierchen war ein Einzeller
Durchaus, denn hier hatte die Evolution weit mehr Zeit, als bei der kurzen Entwicklung höherer Wesen, die gerade einmal in 600 Millionen Jahren vonstattengegangen ist. Für die Entwicklung von Einzellern hatte die Evolution nämlich gut drei Milliarden Jahre, also das Fünffache an Zeit. Und Tatsache, bereits der Einzeller Euglena verfügt über einen Photorezeptor, der sogar ein primitives Richtungssehen erlaubt. Und auch genetisch gibt es einen gemeinsamen Ursprung, denn alle Arten, die des Sehens mächtig sind, verfügen über ein gemeinsames Gen. Dieses Pax6 Gen ist offensichtlich für die grundsätzliche Fähigkeit verantwortlich, Augen unterschiedlichster Bauformen auszubilden. Und was die stufenweise Entwicklung von Augen anbelangt, so zeigt ja gerade die schrittweise steigende Komplexität von Euglenas Photorezeptor über die Napfaugen von Schecken bis hin zu unseren komplexen Sehorganen, dass ein evolutionärer Prozess bei der Entstehung der Augen nicht nur möglich, sondern vielmehr wahrscheinlich ist.
Ist ein schöpferischer Geist jetzt doch wieder unnötig?
Eigentlich könnten wir mit diesem Modell wieder gänzlich auf einen schöpferischer Geist als Erklärung verzichten. Denn dass sich primitive Augen ein einziges Mal innerhalb von drei Milliarden Jahren zufällig entwickelt haben, scheint auch ohne geistige Einmischung machbar. Der Rest ist dann wieder mit klassischer Variation, also mit Darwin erklärbar. Der Grund, warum ich trotzdem an eine geistige Einmischung glaube, ist ein Plan den ich hinter den Einzellern erkennen kann und der eben nicht durch Selektion erklärbar ist. Wie ich ja schon mehrfach betont habe, sind die Einflussmöglichkeiten des schöpferischen Geistes aus der Quantenwelt innerhalb der deterministischen Welt der Materie winzig klein. Hier eine kleine Mutation, dort ein Zufall zugunsten eines bestimmten Ereignisses, doch nie etwas, das einen direkten Verstoß gegen bestehende Naturgesetze darstellt.
Die perfekten Bausteine höheren Lebens
Dabei hatten Einflüsse, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt richtungsweisend auf die Evolutionsgeschichte gewirkt haben, einen weitaus größeren Effekt als solche, die am Ende korrigierend entgegenwirken sollen. Somit waren die Auswirkungen kleiner Einmischungen und Mutationen bei den Urzellen weit gravierender als bei einem Vielzeller. Und was mich bei den Einzellern an einen Plan glauben lässt, ist die Tatsache, dass Zellen so perfekte und bereits vollständige Bausteine für höheres Leben darstellen. Mir scheint es, sie haben sich genau auf dieses Ziel hin entwickelt. Auch wenn ein Zellverband viele selektive Vorzüge gegenüber Einzelgängern besitzt, lässt sich damit noch lange nicht die schiere Explosion höherer Lebensformen erklären.
Vorausschauend wie ein Lego-Stein
Ich möchte das mal wieder an so etwas einfachem wie einem Legostein verdeutlichen. Es gibt viele Bauklötzchen, die beliebig miteinander zu Objekten verbunden werden können, doch die meisten eignen sich nicht dafür, stabile, dauerhafte und nahezu beliebig komplexe Gegenstände zu bauen. Der Lego-Erfinder hatte vielleicht noch keine Idee, was irgendwelche Leute später einmal daraus bauen würden, aber er hatte das klare Ziel, einen universalen Baustein zu schaffen und gab ihm Eigenschaften, wie die Steckverbindung, die nötige Passgenauigkeit und Stabilität, die erst bei der Nutzung als leistungsfähiger Baustein Sinn machen. Das ist vorausschauend und lässt sich nicht mit reiner Selektion erklären. Und je intensiver ich mich mit den Fähigkeiten und Anlagen beschäftige, die bereits in den Zellen vorhanden sind, desto größer ist mein Staunen und meine Ehrfurcht vor der Schöpfung.
Woher kommt der Plan für höheres Leben?
So gehe ich davon aus, dass die Entwicklung konvergenter Eigenschaften bei unterschiedlichsten Arten keine Anhäufung gleichartiger Innovationen ist. Vielmehr erscheint es mir wahrscheinlich, dass es hier einen gemeinsamen Plan gibt, der bereits in den Zellen angelegt ist. Die Entwicklung komplexer höherer Lebensformen ist meines Erachtens keineswegs evolutionärer Zufall, sondern evolutionäres Ziel und Plan eines vorausschauenden Geistes. Und das hat nichts mit Kreationismus zu tun, sondern mit einer ernsthaften wissenschaftlichen Theorie, nämlich der Konvergenztheorie, die genau das gleiche annimmt – nur eben ohne ein geistiges Prinzip dafür zu bemühen. Doch selbst überzeugte Atheisten müssen sich im Zusammenhang mit der Konvergenztheorie die Frage gefallen lassen, woher soll dieser ominöse Plan für höheres Leben stammen, wenn nicht von einem planenden Geist?
Leben als logische Konsequenz aus dem Urknall
Dass einzelne Naturkonstanten zufälligerweise Werte annehmen, die die stabile Existenz von Materie erlauben, ist zwar unwahrscheinlich, lässt sich jedoch noch relativ leicht argumentieren. Schwieriger wird es schon beim Periodensystem der Elemente, das eigentlich schon vor der Existenz des ersten Atoms Gültigkeit besessen haben muss. Denn nur so ist es möglich, dass seit Jahrmilliarden an jeder Stelle des Universums die Kernfusion in Sternen stets die gleichen Atome hervorbringt. Und mit diesem Periodensystem der Elemente ist weit mehr verbunden, als nur die Anzahl an Protonen, Neutronen und Elektronen möglicher Atome. Letztendlich sind damit auch alle physikalisch-chemischen Eigenschaften jedes Elements festgelegt, von der Ruhemasse über den Schmelzpunkt bis hin zu chemischen Bindungsmöglichkeiten. All das war Grundvoraussetzung bevor sich überhaupt das erste Wasserstoffatom bilden konnte. Und nun gehen die Konvergenztheoretiker einen gewaltigen Schritt weiter und behaupten, dass nicht nur die Spielregeln für Atome und anorganische Chemie, sondern auch die für die organische Chemie bis hin zur Entwicklung von Leben und Evolution von Anfang an festgelegt waren. Mit anderen Worten, Leben bis hin zur Entwicklung von höheren Wesen wie uns Menschen und komplexen Sinnesorganen wie Augen ist eine logische Konsequenz aus den Startbedingungen bei der Entstehung des Universums.
Wie groß ist der große Plan?
Für mich klingt das nach ganz großem Plan. Um ehrlich zu sein, geht das sogar mir einen Schritt zu weit. Zwar bin ich der Überzeugung, dass die prinzipielle Struktur der Doppelhelix einer DNA bereits durch die Parameter vorgegeben ist, die aus dem Periodensystem hervorgehen. Aber in welcher Reihenfolge die Basenpaare innerhalb der DNA angeordnet sind, ist damit noch lange nicht vorherbestimmt. Ich glaube zwar an einen schöpferischen Plan hin zu höherem Leben, aber um beim Lego-Beispiel zu bleiben, hatte der, der den Legostein entwickelt hat, sicher die Idee, dass daraus beliebig komplexe und dennoch stabile Figuren gebaut werden können. Sicher hatte er aber nicht die leiseste Vorstellung, was Jahrzehnte nach seiner Erfindung die Produktmanager der neuesten Spielzeuggeneration damit anstellen würden. So glaube ich, dass der Schöpfer aus der Quantenwelt zwar die Voraussetzungen für höheres Leben mit herbeigeführt, aber längst nicht das Ergebnis vorgegeben hat.
Wie erkennt man geistiges Eingreifen?
Doch wie soll man kühle nüchterne Evolution von einem lenkenden geistigen Eingreifen unterscheiden? Prinzipiell ist das eigentlich gar nicht so schwer. Wir müssen lediglich zu einem beliebigen Zeitpunkt der Evolutionsgeschichte eine Prognose anstellen, um herauszubekommen, wie sich die Dinge nach Darwins Regeln eigentlich hätten entwickeln müssen. Sollten dabei zwischen der wissenschaftlich fundierten Prognose und der tatsächlichen realen Entwicklung deutliche Abweichungen in Form von nicht nachvollziehbaren Phänomenen auftreten, haben wir ein Indiz für ein mögliches geistiges Lenken identifiziert. Als Menschen, die genau die Fähigkeit des intelligenten Eingreifens besitzen, sollte es uns also durchaus möglich sein, zwischen Erklärungslücken und Indizien intelligenter Einmischung zu unterscheiden.
Die Hummel fliegt auch ohne Gott
Hierzu ein Beispiel. Wenn wir an die Hummel zurückdenken, die eigentlich nach gängigen aerodynamischen Gesetzmäßigkeiten nicht fliegen dürfte, wäre es naiv, anzunehmen, dass dies nur mit intelligentem Eingreifen erklärbar ist. Warum? Weil es vom Prinzip her dem erklärbaren Flugverhalten aller anderer Insekten entspricht, nur die Parameter passen nicht zur aktuellen Theorie.
Kampf und Flucht bis zum letzten Atemzug
Schauen wir uns im Gegensatz dazu einmal das Phänomen der Nahtoderfahrung an. Atheisten versuchen die dabei auftretenden außerkörperlichen Erfahrungen mit Halluzinationen aufgrund der Ausschüttung körpereigener Opiate zu erklären, die den Todeskampf erleichtern sollen. Doch wie lässt sich das mit der Evolutionslehre vereinbaren? Die geht nämlich davon aus, dass sich nur die Eigenschaften durchsetzen, die die Überlebenschancen verbessern. Nichts, was uns das Sterben leichter macht, kann sich evolutionär durchsetzen. Schlichtweg weil ein sterbendes Wesen gar keine Möglichkeit mehr hat, sein Erbgut weiterzugeben. Es müsste genau umgekehrt sein, es hätten sich also nur solche Eigenschaften durchsetzen dürfen, die das Sterben verhindern, also Kämpfen und Flucht bis zum letzten Atemzug. Da ist nicht der geringste Platz für Frieden und Glückseligkeit. Das aber sind genau die Empfindungen, die immer wieder von Menschen berichtet werden, die erfolgreich ins Leben zurückgeholt wurden.
Universale Schönheit nur ein Zeichen für Gesundheit?
Hier noch ein abschließendes Beispiel. Wie erklären wir uns, dass es über alle Arten und Gattungen hinweg ein übereinstimmendes Gefühl für Schönheit und Ästhetik gibt? Sie werden vielleicht sagen, dass wir die Natur und ihre Geschöpfe nur deshalb als schön empfinden, da wir sie gewohnt sind. Nach dem Motto, Schönheit gibt es gar nicht, sondern wir empfinden alle natürlich entstandenen, gesunden Wesen und Strukturen als schön. Doch dann stellt sich die Frage, warum die meisten Tiere, die nie oder nur selten das Tageslicht sehen zum Teil aussehen wie aus unseren schlimmsten Horrorphantasien? Ich denke da nur an Tiefseeanglerfische, diverses Gewürm, Vampirfledermäuse, das Fingertier oder den Nacktmull. Vielleicht weil wir uns durch sie bedroht fühlen? Dann müssten wir aber Löwen, Tiger und andere Raubtiere als besonders hässlich empfinden, doch ganz das Gegenteil ist der Fall, wir empfinden sie als edel und majestätisch. Nein, es gibt offensichtlich durchaus allgemeingültige ästhetische Prinzipien, die aber nur dann zum Tragen kommen, wenn die Tiere das auch wahrnehmen können, ansonsten verschwendet die Natur keine Energie auf solche Äußerlichkeiten. Es gibt von Schmetterlingen über Korallenfische, Echsen, Vögel bis hin zu den großen Säugetieren offensichtlich ähnliche Schönheitsideale. Solange diese Zeichen von Stärke und Gesundheit sind oder zur Tarnung dienen, ist das wunderbar durch die Evolutionstheorie abgedeckt.
Schönheit ist stärker als ein evolutionärer Nachteil
Doch was ist mit all den prächtigen und bunten Farben von Korallenfischen, Schmetterlingen und Paradiesvögeln? Der evolutionäre Vorteil bei der Brautwerbung wird um ein Vielfaches durch den evolutionären Nachteil aufgrund der guten Sichtbarkeit für Fressfeinde zunichte gemacht. Darüber hinaus haben beispielsweise Ratten und Tauben trotz ihres unscheinbaren Äußeren keinerlei Paarungsprobleme. Wie im Beitrag „Gibt es eine Signatur des Schöpfers?“ beschrieben, scheint Schönheit Prinzipien zu unterliegen, die weit über evolutionäre Erklärungen hinausgehen.
Der Geist steckt in der Innovation
Letztendlich verhält es sich mit der Innovation in der Evolution genauso, wie es Thomas Eddison so treffend für menschlichen Erfindergeist beschrieben hat: „Genie ist ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration.“ Wobei die 99 Prozent Transpiration Routinetätigkeiten sind, die heute von seelenlosen Computern und Robotern übernommen werden können, doch das eine Prozent Inspiration bleibt dem schöpferischen Geist vorbehalten, der nichts anderes als unser bewusster Geist ist, der uns beseelt und der außerhalb des naturwissenschaftlich Erklärbaren liegt. Und genauso verhält es sich mit der Evolution. 99 Prozent der evolutionären Entwicklung basieren auf dem kausalen Prinzip der Variation und höchstens ein Prozent basiert auf zufälliger Innovation. Und so wie beim menschlichen Erfinder liegt genau darin das Wirken eines schöpferischen Geists.
Eine Signatur ist Beleg für ein kreatives Werk. Gottes Signatur muss offensichtlich, unfälschbar und nicht durch Zufall erklärbar sein. Es gibt sie tatsächlich, wir haben sie tagtäglich vor Augen und sie ist das Mysterium der Schönheit, die vollkommene Asymmetrie, das perfekte Chaos, sie steht für das alchimistische Prinzip und verwandelt die Zahl 1 in eine unendlich komplexe Zahl, die vielleicht alle Codes der Welt enthält.
Wie bereits in meinem letzten Beitrag „Gibt es einen Gottesbeweis?“ angekündigt, habe ich mich auf die Suche nach einer unverfälschbaren Botschaft eines wie auch immer gearteten schöpferischen Geistes gemacht. Der Gedanke kam mir bei meiner (durchaus kritischen) Auseinandersetzung mit den Argumenten der Kreationisten.
Saß Gott an einem Reißbrett?
Die Kreationisten versuchen mit Analogien zwischen Scheckenhaus und Wohnhaus, Sonnensystem und Uhrwerk, Versteinerung und Skulptur oder genetischem Code und Programmcode einen aktiv agierenden Schöpfergott zu beweisen. Doch wir wissen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, unserer Erfahrungen und des gesunden Menschenverstands, dass ein Schneckenhaus auf natürlichem Weg entstanden ist und ein Wohnhaus das Werk eines Architekten ist. Wir wissen, dass sich das Sonnensystem aufgrund physikalischer Gesetze gebildet hat, das ähnlich präzise laufende Werk einer mechanischen Uhr aber von einem Uhrmacher entwickelt wurde. Wir wissen, dass die Versteinerung eines Ammoniten aufgrund erdgeschichtlicher Prozesse entstanden ist, eine griechische Skulptur jedoch von einem Bildhauer geschaffen wurde und heute wissen wir, dass die DNA, also der Programmcode in unseren Zellen evolutionär entstanden ist, die Textverarbeitungssoftware auf der ich diese Zeilen schreibe jedoch von Programmierern entwickelt wurde. Es mag ja sein, dass Gott auch irgendwie seine Finger bei den natürlich entstandenen Dingen im Spiel gehabt hat, aber er saß sicher nicht am Reißbrett und hat am vierten Tag die Form von Galaxien designed und am fünften Tag die Gestalt von Meeresschnecken.
Die Signatur macht den Unterschied
Letztendlich stehen wir Menschen der Schöpfung ähnlich ratlos gegenüber, wie Wesen aus einer anderen Dimension, die plötzlich mit irdischen Gegenständen konfrontiert werden. Es stellt sich also die Frage, worin unterscheiden sich diese doch so ähnlichen Dinge so eindeutig voneinander, dass selbst unsere Wesen aus einer anderen Dimension erkennen können, welche Dinge natürlichen Ursprungs sind und welche künstlich geschaffen wurden? Es ist die Signatur. Unser Architekt hinterlässt bei bedeutenden Bauwerken einen Grundstein mit einer Zeitkapsel und Urkunden zum Bauwerk. Seit dem 16. Jahrhundert tragen mechanische Uhren eine Gravur des Uhrmachers. Bereits griechische Bildhauer wie Praxiteles oder Lysipp versahen ihre Werke mit einer Signatur und im Programmcode einer professionellen Software finden wir ausführliche Versions- und Urheberangaben, oft sind sogar die gesamten Entwicklernamen als sogenanntes Easter Egg im Programmcode verborgen (mehr dazu unter http://eastereggs.svensoltmann.de/uebersicht). Offensichtlich haben seit Menschengedenken kreative Köpfe das Bedürfnis, sich in ihrem Werk zu verewigen. Der Charme daran ist, dass unsere Wesen aus einer anderen Dimension lediglich nach einer Signatur suchen müssen, um sicherzustellen, dass sie es mit dem Werk eines intelligenten Schöpfers zu tun haben.
Anforderungen an eine schöpferische Signatur
Wenn ein schöpferischer Geist das Universum wie auch immer mitgestaltet und ihm Leben eingehaucht hat, hat er vielleicht auch eine Signatur hinterlassen. Etwas, das jederzeit nur mit Verstand und ohne High-Tech auffindbar ist. Etwas, das sich nicht aufgrund zufälliger Prozesse oder einfacher Naturgesetze erklären lässt und eindeutig auf eine geistige Urheberschaft hinweist. Es muss etwas sein, das wir stets vor Augen haben aber schlichtweg übersehen oder nicht richtig interpretieren. Doch wie kann eine solche Signatur aussehen? Der Schöpfer wird ja wohl kaum auf dem Bein einer Fruchtfliege oder dem genetischen Code eines Einzellers versteckt ein „Made by Gott“ hinterlassen haben.
Sind es die Spuren unserer Kultur?
Betrachten wir aber einmal die menschliche Kultur gibt es da schon einige höchst erstaunliche Hinweise. Denn wenn wir uns die Überbleibsel alter, zum Teil schon untergegangener Kulturen anschauen, ist der Hinweis auf Gott meist das einzige was geblieben ist. Sei es in Form von Tempeln, Kathedralen und Götterstatuen. Aber auch bei den alten Schriften überwiegen die Bücher über Gott, wie die Qumran Rollen, das Giglamesch-Epos, das ägyptische Totenbuch, die hinduistische Bhagavad Gita oder die griechischen Göttersagen. Natürlich werden Sie jetzt sagen, das war eine Epoche der naiven Gottgläubigkeit, heute in unserer aufgeklärten Zeit spielt Geld und nicht mehr Gott eine Rolle. Doch wenn wir einen Blick auf eben diese neue Kraft werfen, die offensichtlich Gott abgelöst hat, dann finden wir auf der wichtigsten Währung der Welt, dem Dollar, groß und unmissverständlich auf jedem Schein „In God we trust“ und auf den 1-Dollar-Noten auch noch das allsehende Auge Gottes. Und selbst unser Grundgesetz beginnt mit den Worten: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…“. Und dennoch, Sie haben natürlich Recht, das ist alles von Menschenhand gemacht und noch lange kein Beweis für einen göttlichen Schöpfer. Es belegt nur, dass die Menschheit vielleicht doch mehr an Gott glaubt, als dies dem einzelnen Individuum so bewusst wird.
Ein ketzerischer Versuch
Wenn, dann muss es sich um eine schöpferische Signatur handeln, die schon lange vor dem Auftauchen von Homo Sapiens auf der Erde da war. Tja und da sind mir erst mal die Ideen ausgegangen. Vielleicht habe ich dann doch etwas zu hohe Ansprüche an den schöpferischen Geist und seine Signatur gestellt. Aber aufgeben wollte ich auch nicht und so dachte ich mir, vielleicht ist der alte Herr (es kann natürlich auch eine nette alte Dame sein) ja so freundlich und hilft mir auf die Sprünge. Also habe ich mir Unterstützung von einer spirituellen Quelle geholt indem ich eine Tarotkarte zog. Ich weiß, für einen Naturwissenschaftler ist das Ketzerei und wahrscheinlich bringt mich das auf den Scheiterhaufen und über meine Arbeiten wird der Bann verhängt. Aber egal, es ging mir lediglich um eine Eingebung, nicht um einen Beweis. Und wenn die Eingebung unter der Dusche, im Traum oder dank eines auf den Kopf fallenden Apfels kommt (Sie erinnern sich Isaak Newton), ist das auch nicht wissenschaftlicher, als eben eine Tarotkarte zu ziehen.
Was zum Teufel ist ein Sternenkelch?!
Warum ich das hier so breit beschreibe ist die Tatsache, dass mir diese Tarotkarte einen wirklich erstaunlichen Ansatz geliefert hat, auf den ich selbst so schnell nicht gekommen wäre. Ob das eine Botschaft, geistige Unterstützung oder sonst ein geistiger Wink war, mag der geneigte Leser selbst interpretieren. Mir hat es auf jeden Fall mächtig weitergeholfen, denn ich zog den Ritter der Kelche. In den meisten Tarotdecks wird diese Figur auf einem Pferd dargestellt, die sehr deutlich einen Kelch mit Blüten oder Sternen darauf präsentiert:
Bildquelle: Eigenes Foto, Künstlerin Antonella Castelli
Also schloss ich, die schöpferische Signatur müsste in der Art eines Sternenkelchs verborgen sein. Google versagte mir leider die Unterstützung und lieferte bei der Suche nach dem Begriff Sternenkelch nur Unsinn. Also überlegte ich, was kann das sein, der Sternenkelch? Das Sternengewölbe, die Astrologie? Nein, jetzt bloß nicht ganz in die Esoterik abgleiten! Hier haben wir es mit Himmelsmechanik zu tun, etwas was hervorragend durch die Naturwissenschaften beschrieben ist, nichts wo ich eine Signatur eines Schöpfers erwarten würde, auch wenn Generationen von Astrologen anderes beschwören werden. Um was für einen Kelch könnte es sich handeln? Vielleicht der Gral? Stopp, hier lauern Dan Brown und die Verschwörungstheoretiker.
Vom Pentagramm zum Goldenen Schnitt
Sterne stehen in der Nacht, vielleicht ist es ja ein Kelch der Nacht? Wie wäre es mit dem Blütenkelch eines Nachtschattengewächses? Volltreffer! Die meisten Nachtschattengewächse verfügen über fünfblättrige Blüten, die wie bei vielen Tomatenarten einen wunderschönen fünfzackigen Stern bilden. Moment, fünfzackiger Stern ist das nicht ein Pentagramm? Das klingt ja schon wieder nach Dan Brown, Templerkirchen und Hexerei. Aber diesmal wird es wirklich spannend. Denn dieses Pentagramm ist eine der faszinierendsten geometrischen Formen, die in all ihren Proportionen den Goldenen Schnitt enthält, ein simples Verhältnis zwischen zwei Längen bei denen die kürzere sich zur längeren exakt genauso verhält, wie die längere sich zur Gesamtstrecke. Jeder von uns hat diese Proportion tagtäglich in Händen. Es sind die Seitenlängen der bekannten DIN A-Papierformate, die genau in diesem Verhältnis zueinander stehen. Das hat den Vorteil, dass man DIN A-Blätter immer wieder falten kann und sie haben stets dasselbe Seitenverhältnis. Das geht mit keiner anderen Papiergröße, probieren sie es doch selbst mal aus.
Eine verbotene Struktur
Doch was ist an diesem Goldenen Schnitt so toll, dass er gleich als göttliche Signatur verstanden werden kann? Zum einen steht er für ein Seitenverhältnis, das sich leicht beschreiben aber alles andere als leicht konstruieren lässt (Hier eine Anleitung dazu). Im Gegensatz zu drei-, vier-und sechseckigen Polygonen ist eine periodische Struktur aus Fünfecken nicht möglich. D.h. es kann weder eine regelmäßige Parkettierung noch ein Kristallgitter geben, das eine solche Struktur annimmt, wir können also in der Kristallographie auch von verbotenen Kristallen sprechen (siehe dazu auch den spannenden Wikipedia-Beitrag zu Quasikristallen). Das ist deshalb so wichtig, weil wir somit eine Form haben, die nicht einfach mal so von selbst entsteht. Auch wenn die untenstehende Penrose-Parkettierung nach regelmäßiger Ordnung aussieht, sie ist es nicht. Viel Spaß beim Versuch, eine Musterwiederholung zu finden.Bildquelle: Wikimedia
Das Mysterium der Schönheit
Der Goldene Schnitt steht zudem für das absolute Gegenteil von Symmetrie nämlich für die vollkommene Asymmetrie. Er ist ein Verhältnis, das nicht nur für Papierformate praktisch ist, sondern er gilt als ideale Harmonie, als das Prinzip des Schönen. Deshalb auch der Begriff vom Goldenen Schnitt. Renaissance-Künstler wie Dürer oder Da Vinci haben ihre Bilder nach dem Goldenen Schnitt konzipiert. Darüber hinaus ist er ein Grundprinzip der Natur und das obwohl er sich so gar nicht mit dem Gesetz von Zufall vereinbaren lässt. Wir finden ihn selbst an Stellen, die wir nun wirklich nicht erwarten würden.
Der mystische Apfel
Wer weiß schon, dass der Goldene Schnitt nicht nur in Blüten von Nachtschattengewächsen auftritt, sondern auch im Kernhaus von Äpfeln? Moment mal, war da nicht was? Immer wieder dieser Apfel! Ist das nicht die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis (lat. Malus, der Schlechte)? Ist das nicht der verräterische Adamsapfel, mit dem wir sicher Mann von Frau unterscheiden können? Ist das nicht der Apfel der wahren Erkenntnis, der Newton auf den Kopf fiel und ihm so die Idee der Gravitationskraft eingebläut hat? Und was ist mit dem Reichsapfel, der für die Macht von Kaisern und Königen steht? Und ist das nicht auch der märchenhafte Apfel, der das arme Schneewittchen vergiftete? Haben Sie ihn nicht vielleicht sogar gerade vor Augen, den angebissenen Apfel, der als Logo so viele Geräte ziert, mit denen mein Blog abgerufen wird? Und was ist mit dem big Apple, dem großen Apfel, der für die wohl wundersamste Stadt unserer Zeit – New York – steht? Also wirklich (k)ein Wunder, dass sich in ihm nun auch noch die Signatur des Schöpfers verstecken soll.
Aber Spaß beiseite, nach dem Goldenen Schnitt sind sowohl Schneckenhäuser als auch Spiralgalaxien aufgebaut. Und selbst unsere menschlichen Proportionen halten sich an den Goldenen Schnitt. In folgender Grafik habe ich mir mal erlaubt, in Da Vincis legendären Vitruvianischen Mensch einzuzeichnen, wo hier überall der Goldene Schnitt auftaucht. Darüber hinaus passt ein Mensch mit idealen Proportionen und entsprechender Haltung exakt in ein Pentagramm. Und der Goldene Schnitt ist sogar das, was Sie morgens beim allerersten Blick in den Spiegel sehen, denn selbst unsere großen Schneidezähne verhalten sich zu den daneben stehenden seitlichen Schneidezähnen im Verhältnis Minor zu Major. (Auf folgender Seite finden Sie eine sehr gute wissenschaftliche Abhandlung zum Goldenen Schnitt: http://www. Golden-section.eu/home.html).
Der Goldene Schnitt ist das Grundprinzip der Selbstähnlichkeit, ein Prinzip nach dem sogenannte Fraktale aufgebaut sind. Also Strukturen, die egal in welcher Auflösung wir sie betrachten stets identisch erscheinen. Ein wunderschönes Beispiel aus der Natur ist der Romanesco-Kohl (siehe Bild) aber auch die Küstenlinien eines Landes, die Verästelung von Blutgefäßen oder von Farnblättern. Das Spannendste an Fraktalen ist, dass sie zentrales Element der Chaostheorie sind. Moment, war der Goldene Schnitt nicht schon das absolute Gegenteil von Symmetrie, die vollkommene Asymmetrie? Und nun scheint er auch noch für das perfekte Chaos zu stehen, das absolute Gegenteil von Ordnung!
Letztendlich entspricht der Goldene Schnitt somit dem Grundprinzip der Alchemie das besagt: Wie im Kleinen so im Großen. Denn durch seine unendliche selbstähnliche Teilbarkeit sind alle Strukturen die dem Goldenen Schnitt unterliegen sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos gleich. Das ist natürlich von großer Bedeutung für eine Signatur, die sich an alle intelligenten Wesen quer durchs Universum gleichermaßen richtet. Sehr schön kann das anhand der logarithmischen Spiralform von Schneckenhäusern und von Galaxien verdeutlicht werden, deren jeweils nächstgrößere Windung zur vorangegangen im Verhältnis des Goldenen Schnittes steht. Und auch hier finden wir unser Pentagramm wieder (siehe Grafik).
Es gibt noch ein paar weitere Besonderheiten am Goldenen Schnitt. Das Verhältnis von langer zu kurzer Seite wird durch die Naturkonstante Phi (1,6180339…) beschrieben. Diese Konstante kann durch unterschiedliche zum Teil höchst kuriose mathematische Formeln berechnet werden. Für den mathematischen Laien geht das am einfachsten mit der Fibonaccifolge. Sie fangen bei 1 an und addieren sie zu 1, dann nehmen Sie das Ergebnis (2) und addieren es zur jeweils letzten Zahl (1). Das Ergebnis ist 3, Sie addieren dazu wieder die letzte Zahl (2), das ergibt 5 und so weiter. Sie bekommen somit die Zahlenreihe 1,1,2,3,5,8,13,21,34,55 usw. Je länger die Zahlenreihe wird, desto stärker entsprechen die letzte und die vorletzte Zahl dem Verhältnis Major zu Minor des Goldenen Schnittes. Bei 55:34 kommen wir gerundet auf 1,618, was Phi bereits bis auf die dritte Nachkommastelle berechnet.
Die einfachsten unendlichen Formeln
Aber es geht noch faszinierender, denn es ist möglich Phi ausschließlich unter der Verwendung der Zahl 1 zu berechnen. Entweder als unendlichen Kettenbruch oder als unendlich verschachtelte Wurzelfunktion:
Kennt Phi alle Geheimnisse?
Betrachtet man schließlich die Zahl Phi, so ist sie genauso wie die Kreiszahl Pi eine normale Zahl. Das bedeutet, sie kann auf unendlich viele Stellen berechnet werden, ohne dass es eine regelmäßige Wiederholung von Zahlenkombinationen gibt. Dadurch, dass alle Zahlen in beliebiger Reihenfolge unendlich lang nacheinander folgen, gibt es Mathematiker, die behaupten, dass Phi auch jede erdenkliche Zahlenkombination enthalten muss. Das bedeutet, an irgendeiner Stelle werden Sie dort Ihr Geburtsdatum, Ihre Telefonnummer oder Ihre Kontonummer samt PIN-Code finden. Auf der Seite „The Golden Number“ wurde Phi bis auf 100.000 Stellen genau berechnet, vielleicht finden Sie dort bereits Ihr Geburtsdatum oder ähnliches, falls nicht, gibt es dort einen Programmcode mit dem Sie Phi auf millionen Stellen genau berechnen können. Doch es geht noch weiter, da Phi unendlich viele Kombinationen enthält, sind in ihr angeblich auch alle denkbaren Zahlenreihen enthalten, man muss nur lang genug suchen. Nachdem nun Goethes Werk, die Bibel oder unser genetischer Code auch als Zahlenreihen dargestellt werden können, könnten sie alle in der Zahl Phi an irgendeiner ihrer unendlich vielen Stellen vorhanden sein. Mit anderen Worten, Phi könnte alle denkbaren Codes des Universums enthalten. Zur Kreiszahl Pi gibt es dazu bereits mathematische Abhandlungen, die gleichermaßen für Phi gelten (siehe folgenden Beitrag). Sehr amüsant ist auch die Nachkommastellendatenbank für Pi, in der Sie jeden beliebigen Code in der auf satte 13,3 Billionen Nachkommastellen berechneten Kreiszahl suchen können – doch trotz dieser gigantischen Stellenzahl wird Pi wahrscheinlich nicht Ihre Kontonummer im IBAN-Format enthalten. Sollten Sie trotz aller Berechnungen also nicht das Gewünschte finden, hilft Ihnen unsere göttliche Signatur Phi dennoch weiter, denn an der 28.581sten Nachkommastelle von Phi finden Sie die Auskunft der Telekom 11880 und wie wir alle wissen: „Da werden Sie geholfen!“.
Unendlich viel Unsinn
Auch wenn in diesem Beispiel unendlich viele Stellen einen göttlichen Plan beweisen sollen, muss ich gestehen, dass mir solche mathematischen Spielereien deutlich zu weit gehen. Üblicherweise flüchten sich Mathematiker und Naturwissenschaftler gerne in unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten um das Thema Gott irgendwie zu umschiffen, wie z.B. bei der Viele-Welten-Theorie. In meinem Beitrag „Kann Geist ewig sein?“ habe ich mich etwas genauer mit der leichtfertigen Verwendung von Unendlichkeit auseinandergesetzt. Denn selbst wenn die Zahlen Phi und Pi alle endlich vielen, sinnvollen Codes des Universums enthalten sollten (was ich nicht glaube), so verstecken sich diese zwischen unendlich vielen Zahlenkombinationen, die nichts als Unsinn ergeben. Und um den Sinn vom Unsinn zu trennen bedarf es eines begreifenden Verstands und der bräuchte natürlich unendlich lange, um zum Beispiel die Sequenz zu finden, die Goethes Faust entspricht. Das Ganze erinnert an die Anekdote von Michelangelo, der gefragt wurde, wie es ihm möglich gewesen sei, die perfekte Figur des David aus dem Stein zu hauen. Daraufhin meinte er: „Die Figur war immer schon da, ich musste nur den überflüssigen Marmor um ihn herum entfernen.” Doch selbst wenn jede denkbare Skulptur ist in jedem Marmorblock bereits enthalten ist, bedarf es eines schöpferischen Geistes, sie daraus zu befreien.
Die Signatur – einfach und unendlich komplex
Und hier schließt sich wieder der Kreis zum Sternenkelch, der uns vom Blütenkelch der Nachtschattengewächse über die Struktur von Galaxien bis hin zu einer Zahl geführt hat, die vielleicht alle Codes des Universums enthält, sozusagen ein Kelch des Universums, ein Kelch der Sterne, ein Sternenkelch. Ich denke, der schöpferische Geist hätte sich keine bessere Signatur einfallen lassen können. Eine Signatur, die uns Tag für Tag in unseren eigenen Proportionen, in den Blüten der Pflanzen oder im Kerngehäuse eines Apfels vor Augen steht, einfach und dennoch unendlich komplex zugleich. Und darüber hinaus das perfekte Gegenteil der deterministischen Prinzipien von Ordnung und Symmetrie.
Natürlich können wir auch diese Signatur des schöpferischen Geistes ignorieren, doch dann verhalten wir uns wie Wesen aus einer anderen Dimension, die jegliche menschliche Schöpferkraft leugnen und lieber nach evolutionären Erklärungen für seltsame Signaturen auf bestimmten irdischen Gegenständen suchen.
Trotzdem viel Platz für Zufall und Physik
Nur was beweisen solche Signaturen? Sie beweisen lediglich, dass ein schöpferischer Geist hinter einem Werk steht. Welche schöpferische Tiefe dieses Werk hat, können wir anhand der Signatur nicht erkennen. Von daher sollten wir sehr vorsichtig mit unserer neuen Erkenntnis umgehen und nicht zu viel hineininterpretieren. Deshalb spreche ich auch bewusst nicht von Gottesbeweis sondern nur von Indizien für die Beteiligung eines schöpferischen Geistes. Diese Signatur ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass unsere Welt alles andere ist, als eine seelenlose Maschine, deren Existenz ausschließlich dem Zufall und den Naturgesetzen zuzuschreiben ist. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass unser Schöpfer auf jedes noch so kleines Detail bewusst Einfluss genommen hat oder nimmt. Das ist genau dasselbe wie bei einem Künstler, der mit dem Pinsel zwar gezielt eine Kontur vorgibt, andererseits jedoch kaum Einfluss darauf nehmen kann, wie sich die Farbpigmente zwischen Pinsel und Leinwand verteilen. Das ist Zufall und Physik.
Zum Abschluss noch einen wunderschönen Kurzfilm in dem die Zahl Phi und ihr Vorkommen in der Natur veranschaulicht wird:
Bisherige Gottesbeweise taugen nicht viel: die Pascalsche Wette winkt mit dem Paradies, dem spirituellen Beweis genügen Religion und Mystik, der ontologische Beweis glaubt, dass das denkbar Vollkommene auch existieren muss, der kosmologische Beweis braucht Gott als Ursache fürs Universum, der teleologische Beweis setzt Intelligenz für komplexe Ordnung voraus und Kant benötigt Gott als Sinnstifter. Ein naturwissenschaftlicher Ansatz liefert jedoch Belege für die Existenz eines metaphysischen Geistes nachweisen.
Wissen statt glauben
Der Wunsch, seinen stets von Zweifeln geplagten Glauben durch sicheres Wissen zu ersetzen ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits griechische Philosophen versuchten durch eine logische Argumentation die Existenz Gottes zu beweisen. Seit dem Mittelalter wurde insbesondere durch die Scholastiker mit höchst spitzfindigen Argumenten versucht, entsprechende Beweise zu formulieren. Doch all diese Gottesbeweise haben nach heutigen, wissenschaftlichen Maßstäben keine Gültigkeit mehr. Trotzdem möchte ich einen kurzen, zum Teil recht amüsanten Überblick liefern, bevor wir uns auf eine spannende Suche nach wissenschaftlichen Indizien machen.
Die Pascalsche Wette
Auf den ersten Blick ist die sogenannte Pascalsche Wette ein höchst amüsanter Gottesbeweis. Der französische Mathematiker schloss spitzfindig, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, es gibt einen Gott oder es gibt keinen Gott. Wetten wir nun auf eine dieser Möglichkeiten gibt es drei Optionen:
Es gibt Gott und man glaubt an ihn, so wird man mit dem Himmel belohnt, d.h. man gewinnt.
Es gibt Gott und man glaubt nicht an ihn, so wird mit der Hölle bestraft, d.h. man verliert.
Es gibt keinen Gott, dann gibt es weder Belohnung noch Strafe, egal woran man glaubt.
Wer also an Gott glaubt, kann nur gewinnen, sicher aber nicht bestraft werden. Wer nicht an Gott glaubt, wird im besten Fall nicht bestraft, hat aber das Risiko zu verlieren und muss mit ewiger Verdammnis in der Hölle rechnen. Von daher empfiehlt Pascal in jedem Fall, an Gott zu glauben. Ich bin überzeugt, Blaise Pascal wäre ein hervorragender Versicherungsvertreter gewesen.
Kritik: Wagt man einen zweiten, kritischen Blick, entpuppt sich die Pascalsche Wette als religiös motivierte Seelenfängerei. Denn sie gilt nur für die Religionen, die die Existenz von Himmel und Hölle predigen. Was aber, wenn es zwar Gott, aber weder Himmel noch Hölle gibt? Was, wenn dieser Gott es lieber sieht, wenn ich Spaß im Leben habe, als ihn ständig mit lieblosen Gebetslitaneien zu langweilen und auf Lebensfreude zu verzichten? Dann sieht die Gleichung plötzlich anders aus. Satt einer Gewinnausschüttung im Jenseits gibt es diese nur im Diesseits. Und wer nur aus Angst vor der Hölle handelt und sich sklavisch an die strengen Vorgaben seiner religiösen Führer hält, der wird gleich doppelt bestraft. Zum einen, weil er sich keine Lebensfreude gönnt, zum anderen weil er sicher kein Heiliger ist und somit zwangsläufig die ein oder andere verdammungswürdige Sünde begehen wird, die er zu allem Übel auch noch nicht einmal genießen kann. Somit verzichtet er auf Lebensfreude, muss aber trotzdem in ständiger Angst vor einer Bestrafung in der Hölle leben. Abschließend müssen wir unabhängig vom Ausgang der Wette feststellen, dass Pascal damit keinen Gottesbeweis im eigentlichen Sinne geliefert hat, denn er legt keinerlei Beweise für die tatsächliche Möglichkeit einer Existenz Gottes vor.
Der spirituelle Gottesbeweis
Eigentlich handelt es sich um zwei Beweise. Einen ethnologischen Gottesbeweis, der von der Tatsache ausgeht, dass es keine Kultur ohne Religion gibt. Der römische Philosoph Cicero war einer der ersten, der diesen Beweis angeführt hat. Diese Tatsache geht Hand in Hand mit dem mystischen Gottesbeweis, der davon ausgeht, dass der Ursprung für all diese Religionen in der spirituellen Erleuchtung seiner Religionsgründer liegt. Erst diese mystische Erfahrung, die als Erreichen eines höheren Bewusstseins beschrieben wird, hat die Menschen dazu bewogen, Religionen zu gründen. Es ist also nicht primär der Wunsch, eine personifizierte Erklärung für alle unerklärlichen Naturphänomene zu finden, sondern vielmehr ein individuelles mystisches Erlebnis.
Kritik: Es ist tatsächlich beeindruckend, dass alle bekannten Kulturen über eigene Religionen verfügen und selbst atheistische Systeme wie der Kommunismus in Russland schon nach kurzer Zeit wieder durch religiöse Strukturen ersetzt werden. Andererseits verzichtet die Weltreligion Buddhismus gänzlich auf die Hypothese eines konkreten Gottes und das obwohl gerade der Buddhismus ein Glaube ist, bei dem die individuelle Erleuchtung von größter Bedeutung ist. Doch das bedeutet nicht, dass der Buddhismus prinzipiell gottlos, also atheistisch ist. Es bedeutet vielmehr, dass er über das schweigt, was man nicht mit Worten fassen kann.
Eine alte Zengeschichte verdeutlicht das sehr schön: Eines Tages fragte ein Mann Buddha, ob es stimmt, dass es einen Gott gibt; dieser verneinte. Kurz darauf fragte ein anderer Mann, ob es stimmt, dass es keinen Gott gibt. Und wieder verneinte Buddha. Dann kam ein dritter Mann und fragte, ob er an einen Gott glauben solle oder nicht. Doch Buddha antwortete nicht, sondern lud ihn zum Meditieren ein. Der Mann fand zur Erleuchtung und war voll des Dankes. Ein Schüler, der das alles nicht verstand, bat Buddha um eine Erklärung und dieser antwortete, dass die ersten beiden Männer ein Theist und ein Atheist waren, die nur damit prahlen wollten, dass Buddha ihre vorgefasste Überzeugung bestätigt hätte. Doch wie die Erleuchtung des dritten Mannes gezeigt hatte, sind Worte vollkommen nutzlos, um nach Gott zu suchen.
Alles in allem sind jedoch Religion und mystische Erfahrung noch lange kein Gottesbeweis. Sie belegen nur, dass der Mensch über ein spirituelles Bedürfnis verfügt, das sich als Religion manifestiert. Doch ob dieses Bedürfnis ein rein psychologisches Phänomen oder ein verborgenes Wissen über die tatsächliche Existenz Gottes ist, lässt sich nicht sagen.
Der ontologische Gottesbeweis
Der ontologische Gottesbeweis stammt aus dem Hochmittelalter, hat aber auch neuzeitliche Verfechter, wie René Descartes. Der Ansatz besagt, dass das, worüber hinaus nichts Vollkommeneres gedacht werden kann, in Wirklichkeit existiert und nicht nur im Verstand. Die genaue Beweisführung kann auf Wikipedia nachgelesen werden, ich möchte sie meinen Lesern an dieser Stelle jedoch ersparen.
Kritik: Der ontologische Gottesbeweis entspricht der spitzfindigen Argumentationsweise der Scholastik, bereits Thomas von Aquin versuchte ihn zu widerlegen. Lange Zeit war das jedoch nur schwer möglich, da die Argumente in ihrer eigenen Logik höchst scharfsinnig waren und die Grundannahmen noch nicht durch empirische Beweise widerlegt werden konnten. Heute können wir diese Logik mithilfe naturwissenschaftlicher Erkenntnisse entkräften. So sind weder im Großen, noch im Kleinen beliebig vollkommene Dinge möglich. Blicken wir in die Weiten des Weltalls, so haben wir es nach heutigem Wissensstand aufgrund der Krümmung des Raumes mit einem endlich großen Universum zu tun und das, ohne dabei jemals an eine Grenze zu stoßen. Bei unendlich kleinen Dingen ist die Sache noch klarer. Es ist durchaus möglich, sich einen vollkommenen Kreis vorzustellen und diesen auch auf beliebig viele Nachkommastellen zu berechnen. Wenn wir aber einen solchen Kreis in Form einer Linie auf einem perfekten Untergrund zeichnen, so wird spätestens auf atomarer Ebene aus der glatten Linie eine pixelige unscharfe Struktur, die letztendlich kein Kreis ist, sondern ein Polygon mit endlich vielen Ecken. Das bedeutet, wir können zwar logische Operationen mit beliebig vollkommenen Dingen durchführen, aber wie Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft schon feststellte, ist der einzige Beweis für ihre tatsächliche Existenz nur die Erfahrung.
Der kosmologische Gottesbeweis
Die Vertreter des Kosmologischen Gottesbeweises, allen voran Thomas von Aquin, gehen davon aus, dass alles eine Ursache hat, also muss auch das Universum eine äußere Ursache haben und die muss zwangsläufig Gott als Schöpfer sein.
Kritik: Das Problem an dieser Argumentation ist, dass die logische Kette mit Gott abgebrochen wird. Doch wo ist die Ursache für Gott? Wir haben also nichts gewonnen, außer dass das Unerklärliche durch etwas noch Unerklärlicheres ersetzt wurde. Das ist so, wie in den uralten Mythen in denen die Erde von einem göttlichen Geschöpf wie Atlas oder einer Schildkröte getragen wird. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Schildkrötenmotiv in verschiedensten Kulturen vorkommt, als Vishnu-Schildkröte in Indien, als Drachenschildkröte in China und als Mutterschildkröte bei den Indianern Nordamerikas. In der Logik eines Erich von Däniken eigentlich schon ein sicherer Beweis für die Gültigkeit dieser Theorie. Das mythologische Erklärungsmodell stammte aus der Zeit, als das Prinzip Schwerkraft und ihre Ursache noch nicht verstanden waren. Begriffe wie Unten und Oben galten als absolute Grundprinzipien, so dass alles auf einem Untergrund ruhen musste um nicht herabzufallen. Heute wissen wir, dass es im Weltraum kein Unten und kein Oben gibt und die Erde ohne Untergrund durchs All schwebt. Bezüglich der Annahme von Ursache und Wirkung zeigt uns heute die Quantenphysik, dass auch dies kein absolutes Grundprinzip ist. Zahlreiche Quantenprozesse, wie z.B. die spontane Emission finden ohne äußere Einwirkung, also ohne Ursache statt. Darüber hinaus ist es sogar möglich, dass Quanten und ihre Antiteilchen ebenso spontan aus dem Nichts heraus erscheinen und wieder vergehen (siehe dazu Vakuumfluktuation). Es gibt eine Reihe von Physikern, die daher die Vakuumfluktuation als eigentlichen Ursprung des Weltalls und den Urknall lediglich als einen Zwischenschritt betrachten (dazu mehr im Beitrag „Was ist die Ursache für den Geist?“). Ursache und Wirkung ist nach heutigem Stand der Forschung somit ein Effekt, der erst ab einer statistisch relevanten Anzahl von Quanten verlässlich auftritt.
Der teleologische Gottesbeweis
Die Vertreter des teleologischen Gottesbeweises unter anderem bereits Sokrates argumentieren, dass sich unsere Welt stets weiterentwickelt, hin zu mehr Ordnung, hin zu mehr Komplexität und hin zu vollkommeneren, schöneren Wesen. Es muss daher zwingend ein intelligentes Wesen geben, das dieses Ziel vorgibt. Insbesondere die Kreationisten haben mit der Intelligent-Design-Bewegung in den USA diese Argumentation wieder neu belebt. Das Überzeugende am teleologischen Gottesbeweis ist die Analogie zu unserer menschlichen Erfahrungswelt. Unser gesunder Menschenverstand sagt uns, dass sich komplexe Objekte, die eine klare Funktion erfüllen, nicht von selbst entwickeln. Dahinter steht also immer ein Entwickler, ein Architekt oder ein Künstler, also ein kreativer, schöpferischer Geist.
Kritik: Leider kann sich auch der gesunde Menschenverstand täuschen und seit Darwins Evolutionstheorie gibt es ein schlüssiges Erklärungsmodell, das gänzlich ohne Gott auskommt. Sogar die Entwicklung von Schönheit lässt sich mit Selektion und Auslese erklären, denn das, was wir als schön empfinden, ist meist eine Kombination von Gesundheit und Kraft. Auch bei der Entwicklung kosmischer Objekte, wie Sterne, Galaxien und Planeten, als auch bei der Bildung von anorganischer Materie gibt es eine evolutionäre Entwicklung beginnend mit dem Urknall. Somit können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass heute alle religiösen Schöpfungsgeschichten wissenschaftlich widerlegt sind, auch wenn die in den USA einflussreichen Kreationisten das hartnäckig leugnen. Andererseits muss man aber auch zugeben, dass es sowohl bei Darwins Evolutionslehre Erklärungslücken gibt, insbesondere wenn es um die Entstehung völlig neuer Eigenschaften geht, die sich nicht durch Selektion und Variation erklären lassen. Als auch bei der anorganischen Evolution, wo es an zentralen Stellen noch massive Ungereimtheiten gibt wie z.B. eine Verletzung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik im Moment des Urknalls. Für die Gegner ein Grund, die gesamte wissenschaftliche Erklärung in Frage zu stellen, für die Befürworter nur ein kleiner Schönheitsfehler, der über kurz oder lang durch neue Forschungsergebnisse behoben wird. Meines Erachtens machen es sich hier beide Seiten zu einfach, denn ähnlich wie beim Welle-Teilchen-Dualismus haben wir es mit Phänomenen zu tun, die sich weder mit der einen, noch mit der anderen Theorie vollständig erklären lassen. Dazu aber mehr im Beitrag „Ist der schöpferische Geist mit der Evolutionstheorie vereinbar?“. Auch wenn der teleologische Ansatz somit spannende Argumente für eine weitere Diskussion liefert, als verlässlicher Gottesbeweis taugt er nicht.
Der Kantsche Gottesbeweis
Der große Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant entwickelte nach seiner Kritik an den damals üblichen Gottesbeweisen einen eigenen Ansatz: „Folglich müssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber) annehmen, um uns, gemäß dem moralischen Gesetze, einen Endzweck vorzusetzen; und so weit als das letztere notwendig ist, so weit ist auch das erstere anzunehmen: nämlich es sei ein Gott.“ Mit anderen Worten, Gott ist moralisch notwendig um unserem Leben einen Sinn zu geben.
Kritik: Kant hat zwar absolut Recht, ohne eine Gotteshypothese gibt es keinen echten Sinn des Lebens (mehr dazu auch in meinem Beitrag: „Gibt es einen Sinn ohne höheres Wesen?“). Leider zählen aber weder die Moral noch ein wie auch immer gearteter Endzweck zu den Naturgesetzen und so sehr wir uns auch einen Lebenssinn wünschen, gibt es keine Gesetzmäßigkeit für einen Endzweck und somit kann er auch nicht zwingend eine moralische Weltursache (Gott) erfordern.
Der Versuch eines naturwissenschaftlichen Gottesbeweises
Wenn wir also einen tatsächlich validen Gottesbeweis antreten wollen, muss er sich an Standards messen lassen, wie sie auch für naturwissenschaftliche Theorien gelten. Es genügt nicht, ein in sich logisches Gedankengebäude zu entwickeln, die Theorie muss auch anhand experimentell nachvollziehbarer Studien belegbar sein. Gerade bei Untersuchungen im Bereich von transzendenten Phänomenen muss sichergestellt sein, dass jegliche Form von Manipulation sowohl seitens der Studienobjekte aber auch seitens des Experimentators ausgeschlossen ist. Dabei ist stets zu prüfen, ob es nicht auch einen rein naturwissenschaftlichen Ansatz gibt, der ohne spirituelle Erklärung auskommt. Parallel dazu sollte eine Prüfung nach Ockhams Rasiermesser erfolgen, die fordert, im Zweifelsfall die einfachere, geradlinigere Theorie zu bevorzugen. Hierzu ein kurzes Beispiel: Beim mittelalterlichen, geozentrischen Weltbild ergaben sich für die Planetenbahnen komplexe Schleifenstrukturen für deren Verlauf es keine physikalische Erklärung gab. In einem heliozentrischen Weltbild verschwinden diese Schleifen und es bleiben Ellipsen, die sich mit einfachen Anziehungskräften zwischen Sonne und Planeten erklären lassen. Gleiches gilt für Gott als Ursache für das Universum. Solange Gott lediglich eine zusätzliche Hypothese ist, für die es keinerlei Beweise gibt, wird das zu lösende Rätsel nur durch ein noch größeres beantwortet. Wenn wir Gott weglassen, sparen wir uns einen zusätzlichen, nicht beweisbaren Schritt in der Argumentation. Von daher ist aus wissenschaftlicher Sicht die Erklärung ohne Gott zu bevorzugen. Aber in diesem Beitrag wollen wir jetzt den ketzerischen Schritt wagen, einen naturwissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes zu versuchen.
In meinen bisherigen Beiträgen habe ich bereits ein paar Themen angesprochen, die von der Beweiskraft und Untersuchungsmethodik her den obigen Anforderungen entsprechen und somit als Grundlage für einen möglichen naturwissenschaftlichen Gottesbeweis geeignet sein können. Hinzu kommen noch sehr überzeugende Forschungsergebnisse der Sterbeforschung:
Quanteneffekte: Die Phänomene Quantenverschränkung, Tunneleffekt und Vakuumfluktuation beweisen, dass es eine wie auch immer geartete metaphysische Dimension gibt, die einen Informationsaustausch außerhalb unseres bekannten Raum-Zeit-Kontinuums ermöglicht.
Systemaufstellungen: die Tatsache, dass völlig unbeteiligte Repräsentanten in einer Aufstellung Eindrücke und Emotionen von Personen wiedergeben, die sie sie nicht kennen und die z.T. bereits verstorben sind, kann als Indiz für die Existenz und den Zugang zu einem kollektiven Unbewussten gelten.
Parapsychologische Phänomene: In einer Metastudie im Auftrag des US Kongresses untersuchte die Statistikprofessorin Jessica Utts 154 Experimente mit über 26.000 Einzelversuchen die im Zeitraum von 15 Jahren an der Stanford University durchgeführt wurden. Dabei konnte sie einen statistisch relevanten Beleg für die Existenz parapsychologischer Phänomene liefern.
Nahtoderfahrungen: In den letzten 45 Jahren wurden Nahtoderfahrungen systematisch untersucht wobei deren Existenz als wissenschaftlich erwiesen gelten kann. Alternative Erklärungsversuche wie Halluzinationen und nachträgliche Verfälschung der Erinnerung durch Vermischung von Erlebtem z.B. mit Medienberichten konnten durch Hirnstrommessungen und direkte Befragung nach dem Erwachen entkräftet werden. Außerkörperliche Erlebnisse können anhand der Beschreibung von Fakten, die den Betroffenen anders nicht zugänglich waren als real eingestuft werden. Laut dem Sterbeforscher Pim van Lommel sind die aktuellen Forschungserkenntnisse ein Beleg dafür, dass „Menschen ein klares Bewusstsein erfahren können, selbst wenn das Gehirn nachweislich nicht mehr funktioniert“.
Gebete: Die missglückte Gebetsstudie STEP belegt eine statistisch signifikante Wirkung von Gebeten, wenngleich diese Wirkung in der Studie negativer Art war. Das macht zwar die Interpretation der Ergebnisse schwierig und widerspricht den Erwartungen der Wissenschaftler, doch gerade deshalb kann sie als überzeugender Beweis dafür gelten, dass Gebete durchaus eine metaphysische Wirkung haben können.
Wenn wir uns die oben genannten Fakten anschauen, erhalten wir zahlreiche Belege dafür, dass es eine Welt gibt, die jenseits unserer physikalisch erlebbaren und beschreibbaren Welt existiert. Wir können auch mit großer Sicherheit annehmen, dass in dieser metaphysischen Welt Informationsübertragung und Informationsspeicherung möglich ist. Es kann gezeigt werden, dass es unserem Geist prinzipiell möglich ist, mit dieser Welt in Kontakt zu treten. Diese Welt kann zudem bewusst und willentlich auf diesen Kontakt reagieren, was darauf schließen lässt, dass diese Welt über einen eigenen Geist verfügt.
Kritik: Was wir nicht beweisen können ist, ob dieser geistige Kontakt tatsächlich mit einem Wesen stattfindet, das unserem Gottesbild entspricht. Denn wir können nichts über die Eigenschaften dieser metaphysischen Welt und des damit verbundenen Geistes aussagen. Wir wissen nicht, ob wir es mit einem einzigen, allumfassenden Geist oder einem Geist unter vielen zu tun haben. Wir wissen nicht, ob dieser Geist tatsächlich der Schöpfer ist oder zumindest am Schöpfungsprozess teilgenommen hat. Wir können noch nicht einmal sagen, ob dieser Geist prinzipiell gut, böse oder allmächtig ist.
Und dennoch bringt uns dieser Ansatz deutlich näher an das Phänomen Gott heran, als alle zuvor beschriebenen philosophischen Gottesbeweise. Denn zum ersten Mal gelingt es uns, nachweisbare Fakten für die Existenz eines metaphysischen Wesens und seiner Welt zu liefern, was uns von dem Zweifel erlöst, dass das alles nur Einbildung, Illusion oder gar Betrug sein könnte.
Wir brauchen eine Botschaft
Ein echter Gottesbeweis ist es aber dennoch nicht. Wesentlich überzeugender wäre es, wenn wir von diesem schöpferischen Geist eine unverfälschbare Botschaft vorfinden würden, die weder durch Zufall oder Evolution noch durch Menschenwerk entstanden sein kann. Damit schließe ich explizit Ansätze der Intelligent-Design-Bewegung aus, die in der Komplexität des Lebens bereits einen Beweis für Gottes Wirken sehen. Das alleine ist zu wenig und kann hinreichend befriedigend durch die Evolutionstheorie erklärt werden. Gleiches gilt für die Bibel und andere religiöse Schriften. Auch wenn ihre Anhänger fest davon überzeugt sind, dass sie teilweise oder gar vollständig durch Gott inspiriert wurden, steht ganz klar fest, dass sie Menschenwerk sind. Als Beweis für göttliches Wirken sind sie daher ungeeignet.