Was ist unser Problem mit Gott?

Das Wichtigste in Kürze

Die Naturwissenschaftler der Aufklärung vertrieben uns aus dem Paradies naiver Gottgläubigkeit. Gott ist ein Tabuthema geworden, obwohl wir zu ca. 70 % einer Religion angehören. Heute sind Glaube und Wissenschaft jedoch nicht mehr so unvereinbar wie vor 200 Jahren.


Was ist unser Problem mit dem Glauben?

Warum fällt es so schwer, im Alltag über Gott zu sprechen? Sind wir denn alle bereits Atheisten? Eigentlich nicht, 85 Prozent der Menschheit gehören einer Religion an. In Deutschland sind zwar ‚nur‘ 66 Prozent Mitglied einer Glaubensgemeinschaft, aber das bedeutet nicht, dass die 34 Prozent der Konfessionslosen alle auch gleich überzeugte Atheisten sind. Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass sich gerade bei den Besuchern meines Blogs, viele aus dieser Gruppe der Konfessionslosen befinden. Denn gerade von denen sind viele auf der Suche nach überzeugenden Antworten, die sie bei den großen Religionen nicht finden.

Wir sind Vertriebene aus dem Paradies

Der Grund ist einfach. Spätestens seit Galileo haben sich Religion und Wissenschaft voneinander abgespalten und bescheren uns das Paradoxon zweier widersprüchlicher Weltbilder. Früher waren Glaube und erlebte Realität eins, bis wir vom Baum der Erkenntnis aßen! Die Aufklärung befreite uns vom Joch der Kirche. Wir müssen uns vor keiner Hölle mehr fürchten. Wir müssen keinem strengen, jähzornigen Gott mehr dienen. Die Wissenschaften liefern nun alle Erklärungen. Doch der Preis für diese Freiheiten ist eine Vertreibung aus einem Paradies kindlicher Glückseligkeit. Kopernikus vertrieb uns vom Mittelpunkt der Welt. Newton nahm uns die Mysterien der Natur. Darwin nahm uns den Glauben an eine Schöpfung und vertrieb uns als Krone der Schöpfung. Nitsche erklärte Gott für tot. Libet nahm uns den freien Willen (siehe dazu den Beitrag „Gibt es überhaupt einen freien Willen? “). Und die Behavioristen nahmen uns letztendlich auch noch die Seele.

Was schert uns die Vernunft?

Beide Seiten machen es sich seit Galileo sehr einfach. Die Kirchen beschränken sich auf Religiöses und Jenseitiges. Statt dass die Religionen versucht hätten, ihre Lehren an die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaften anzupassen, beharren sie auf die absolute Gültigkeit uralter Schriften und Dogmen. So, als ob deren meist unbekannte Autoren vor mehreren tausend Jahren Zugang zur absoluten Wahrheit hatten, der uns heute verwehrt ist. Die Dogmen stehen über der Vernunft und wissenschaftlichen Beweisen. Das ist verdammt bequem und durchaus erfolgreich, wie die katholische Kirche zeigt. Immerhin hat sie es geschafft, mittelalterliche Staatsstrukturen und Zeremonien bis in die heutige Zeit hinüberzuretten.

Gott ist tabu

Aber auch die Wissenschaften haben es sich bequem gemacht. Sie haben einfach die Hypothese Gott aus ihren Modellen verbannt. Es ist heute überhaupt kein Problem, in einem Wissenschaftsforum abenteuerlichste Theorien über Paralleluniversen zu diskutieren, die bei jeder winzigen Quantenentscheidung neu hinzukommen. Dass diese Theorien gegen jede Vernunft und noch gnadenloser gegen den ersten Hauptsatz der Thermodynamik verstoßen, also dem Gesetz, dass von nichts nichts kommen kann, wird dabei meist großzügig übergangen. Aber wehe ein Teilnehmer wagt es, in einem durchaus logischen Zusammenhang das Wörtchen Gott zu posten, so bricht ein unglaublicher Shitstorm über ihn hinweg. Er wird sofort als Spinner oder gar als Kreationist beschimpft, der in einem solchen Forum nichts verloren hat. Auch diese Position ist verdammt bequem, denn sie lässt uns hilflos zwischen diesen beiden Welten von Glauben und Wissenschaft zurück und jeder muss für sich selbst schauen, wie er damit klar kommt.

Wir können das Glauben nicht lassen

Und da stehen wir nun, vertrieben aus dem Paradies, versuchen unser mystisches Verlangen wie eine schlechte Gewohnheit zu unterdrücken und sehnen uns doch so sehr nach einem Sinn im Leben. Wir feiern religiöse Feste wie Weihnachten, Hochzeit, Taufe, Tod. Wir verlangen nach Gewissensberuhigung durch Kirchgang, Spenden und Beichte. Und nehmen in Krisensituationen nur zu gerne seelische Notfallhilfe in Form von Gebet und Seelsorge in Anspruch. Letztendlich sind wir wie Scheidungskinder, gefangen zwischen zwei widersprüchlichen Welten.

Wonach wir uns sehnen, ist die von uns erlebte Realtität,  die beide Elemente umfasst, das des Glaubens und das der Naturwissenschaften, widerspruchsfrei zu vereinen.

Warum Geist statt Gott?

Warum spreche ich in diesem Blog trotzdem nicht von Gott sondern stets von Geist? Gott ist ein Privileg der Religionen. Jede Kultur verbindet Gott ist mit anderen Eigenschaften, Überlieferungen und Hoffnungen aber auch mit Furcht und Tabus. Gott ist eine Frage des Glaubens und ist viel mehr, als was wir mit Logik, Indizien und naturwissenschaftlicher Beweisführung herausfinden können.

Der Geist hingegen ist ein Phänomen, das wir selbst empfinden und dem wir uns empirisch annähern können. Ich möchte mich daher auf das beschränken, worüber wir sachliche Aussagen treffen können. Was darüber hinausgeht ist und bleibt dem Glauben und den Religionen vorbehalten. Dennoch bewege ich mich bereits damit in einer Grauzone, die die meisten Wissenschaftler am liebsten ausblenden würden.

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